Donnerstag, 28. August 2008

Verfall des königlichen Mythos und Entkörperung des Monarchen? Problem des Prozesses und der Hinrichtung eines Unantastbaren.

In diesem Blogeintrag will ich mich der näheren Analyse der Hinrichtung des ehemalig absoluten Königs Louis XVI. zuwenden. Anhand von zwei recht unterschiedlichen Tagebüchern und mehreren revolutionären Zeitungen werde ich versuchen die zeitgenössische Auffassung und Interpretation dieses einmaligen Ereignisses näher zu verstehen.
Darüber hinaus erscheint es mir als wichtig, das vom Konvent angestrebte Konzept, welches diesen Akt der Hinrichtung begleitete oder zumindest begleiten sollte, zu beleuchten. Dabei stellt sich die Frage, welche Schritte unternommen werden müssen, um eine bis dato unantastbare Person verwundbar zu machen, sie völlig der Gewalt der neu entstandenen Ordnung auszuliefern. Zwei Schritte sind mir im Zuge der Quellenbetrachtung hierzu besonders aufgefallen: Zunächst die Zerstörung des königlichen Mythos und schließlich die Herabwürdigung des königlichen Körpers. Inwieweit diese für die Hinrichtung eigentlich notwendigen Aspekte verwirklicht werden konnten, beziehungsweise in welchem Maße diese Transformationen des königlichen Status auch in den Köpfen der Bevölkerung Fuß fassen konnten, kann man erstaunlicher Weise relativ gut mittels der originalen Quellen feststellen.

Die Entkörperung des Monarchen hing von zwei grundsätzlichen Entwicklungen ab – der Intensivierung der politischen Karikatur, die bereits vor 1789 stattfand, sich während der Revolution aber nochmals verstärken sollte und der Neusetzung von Körpermetaphern seitens der revolutionären Führungsschicht.
Es lässt sich darüber streiten, ob Louis XVI. de facto ein wenig talentierter Herrscher war, oder ob vielmehr die politisch- wirtschaftlichen Krisen Frankreichs im 18.Jahrhundert seine scheinbare Handlungsunfähigkeit in den Vordergrund rücken ließen. Zwar gab es sowohl im Volk als auch in der Elite zunächst durchaus Stimmen, die seine Regentschaft nach jener Louis XV. begrüßten; schließlich hatte dieser im Zuge des Konflikts mit den parlements Frankreich noch einmal den absolutistischen Stempel aufgedrückt und somit den Handlungsspielraum seiner Untertanen gehörig eingeschränkt. Louis XVI. agierte dem entgegen gleich zu Beginn seiner Regentschaft wesentlich liberaler, wenngleich die Niederschlagung des Aufstandes während der guerre des farines dem entgegen sein Gewaltpotential unterstrich. Der neue Herrscher setzte noch 1774 das Pariser parlement in seiner alten Form ein und schaffte auch rasch die neuen Steuern für Adel und Klerus wieder ab. Die unter Louis XV. begonnene Reform des Absolutismus wurde also nicht weitergeführt.
Jedoch wurden etwa Nachgiebigkeit und Unentschlossenheit sowie die defensive Politik im Allgemeinen erst dann zu negativen Eigenschaften des Herrschers, als die Krise des französischen Staates und seiner höchsten Instanz zu einer revolutionären Bewegung an sich führte. Je stimmkräftiger der dritte Stand wurde, je vehementer das Volk in Paris die Aufmerksamkeit auf sich zog, desto mehr geriet Louis XVI. tatsächlich ins Schwanken. Die Faiblesse des wankenden Monarchen war somit nicht nur mehr ein partieller sondern der wesentlichste und bald schon – zumindest in der Vorstellung weiter Teile der breiten Volksmasse – der einzige Charakterzug des vermeintlich absoluten Herrschers. Natürlich war der fortschreitende Verlust der totalen Macht nicht die notwendige Entwicklung für den Beginn der politischen Karikatur – diese gab es schon lange Zeit davor. Allerdings wurde neben der allgemeinen Verdichtung eine zweite und mit Marie Antoinette sogar eine dritte Komponente ins Programm der Verhöhnung mit aufgenommen. Anders als bei den Monarchen vor Louis XVI., die hauptsächlich auf Grund ihrer ausufernden Hofhaltung und der Überbetonung ihres Status zum völkischen Gespött wurden, wurde dem Monarchen der Revolution zusätzlich politische Unfähigkeit und seiner Gattin sexueller Untrieb vorgeworfen.
Bestimmt hatte Louis – unter dem Blickwinkel der Erhaltung der alten Machtverhältnisse – im Zuge bestimmter Entscheidungsprozesse kein großes Feingefühl bewiesen. Der Wechselkurs rund um die Verteilung der Gewalt innerhalb der Generalstände und die Absetzung Neckers stellten dies nur allzu gut unter Beweis. Es ist anzunehmen, dass er schon damals auf Grund des zunehmenden politischen Drucks zumindest teilweise zu einer Marionette einer Kamarilla unter der maßgeblichen Initiative Marie Antoinettes und des Comte d’Artois stand. Dieses Image eines stets geleiteten und beeinflussbaren Hampelmanns sollte ihm bis zu seiner Hinrichtung erhalten bleiben. Speziell nach der Flucht aus dem Tuilerienschloss präsentierten viele Karikaturen die Gattin des Königs als jene Person, die die Fäden in der Hand hielt und die den König zur Feindlichkeit gegenüber der Republik, ja sogar zum Hochverrat verleitete. Louis XVI. war beinahe zu einer lächerlichen Begleiterscheinung seiner Frau geworden.
Gerade die Herabwürdigung seines Status beziehungsweise sein Stellenwert zum genauen Zeitpunkt des Prozesses sollte dem Konvent aber zum Verhängnis werden, da er schwer in das Programm der Hinrichtung zu integrieren war. Es wäre falsch anzunehmen, dass der königliche Mythos, welcher die Unantastbarkeit des absoluten Monarchen zum Grundsatz hatte, erst mit dem Fall des Beils gebrochen wurde. Die Zurückdrängung dieses herrschaftlichen Ideals hatte schon lange davor ihren Anfang genommen. Je länger Louis XVI. regierte, beziehungsweise je radikaler die revolutionäre Bewegung vorging, desto mehr wurde der unentschlossene und fast schon schüchterne Charakter propagiert. Man könnte fast meinen, dass die gesamte Autorität des Monarchen von Anfang an weniger seiner Person, als vielmehr dem traditionellen Status des Königs entsprang. Somit waren für die öffentliche Meinungsbildung die Parameter gesetzt; teilweise fiktive Karikatur und politische Realitäten – sprich de facto ungeschickte Entscheidungen des Monarchen – verliefen parallel zum allmählich beginnenden Bruch des königlichen Mythos.
Die Distanz des Hofes zum Pariser Volk sollte sich in diesem Zusammenhang als verheerend auswirken. Louis XVI. hatte den Kontakt und somit das Gespür für die Grundbedingung seines Wohlstandes verloren, ergo für seine Untertanen. Er lebte im Grunde in einer Art Traumwelt – von kurzen Parisaufenthalten abgesehen, waren die Generalstände nun die direkteste Verbindung zum dritten Stand. Dieses mangelnde Feingefühl zeigt sich etwa in der Absetzung Neckers. Die Aufforderung zum Rücktritt wurde dem Finanzminister an einem Sonntag übermittelt, dem Tag, an dem die Generalstände nicht tagten. Jedoch hatte der König im Zuge jenes schicksalhaften Vorgehens ganz einfach die Einwohner der größten Stadt seines Reiches vergessen, die am Sonntag ihren einzigen arbeitsfreien Tag in der Woche hatten. Im Palais Royal, wo an diesem Tag Menschen aus den unterschiedlichsten sozialen Schichten zusammentrafen, war es für die politische Hetze nun auf einmal recht günstig geworden, einen Monarchen zu haben, der sich offensichtlich eher der Jagd, als den Staatsgeschäften widmete. Zudem seine verhasste Frau, die schon früh für Gesprächsstoff in den Cafés, den Salons und den Märkten von Paris gesorgt hatte.
Einhergehend mit der steigenden Gewalt der Handlungen seitens der Revolutionäre, wurde auch die Karikatur aggressiver. Sie zeigte Louis nicht nur mehr als unfähig, die Finanzkrise des französischen Staates zu bewältigen, sondern immer öfter auch als einen bösartigen Mann, der das Elend seines Volkes nahezu beabsichtigte und dazu – was sich in der Folge als noch schlimmer erweisen sollte – als eine Person geistiger Labilität. Diese ihm zugeschriebene Eigenschaft richtete sich nicht mehr gegen seine Handlungen und nicht ausschließlich gegen seinen Mythos. Sie griff in direkter Art und Weise seinen Körper an. Seine Gattin, die als sexuell unersättlich und zudem als schlechte Mutter betrachtet wurde, hatte den körperlichen Status schon wesentlich früher verloren.
Spätestens nach dem Fluchtversuch aus dem Tuilerienschloss, war der Vulgarität in den Karikaturen keine Grenzen mehr gesetzt. Eine Abbildung zeigt beispielsweise die königliche Familie, die in einem Karren nach Paris zurückgezogen wird. Ihre Körper waren nicht mehr jene von Menschen, sondern jene von Schweinen. Der ehemalige Absolut hatte also nicht nur den ihm zugeschriebenen Mythos, sondern nun auch seinen Körper verloren; die Unantastbarkeit des Monarchen, die während der Glanzzeit des Absolutismus kaum jemand ernsthaft in Frage gestellt hatte, war auf einmal verloren gegangen. Mit diesem Prozess der Entkörperung war der Topos des schwachen Herrschers weiter vorangetrieben, ja nahezu besiegelt worden.
Nun stand der Konvent, der den Prozess zu führen und die Hinrichtung zu beschließen hatte, vor einer ebenso schwierigen, wie unangenehmen Frage: Wie sollte man dem Volk den Angeklagten präsentieren? Die revolutionäre Führung sah sich einer Diskrepanz ausgeliefert, die selbst mit dem Akt der Hinrichtung nicht behoben werden konnte. Bis zum Stichdatum des 21. Jänners 1793 hatte man alles unternommen, um den König zu einer vom Volk abhängigen Person zu machen. Man stellte ihn als handlungsunfähig und sogar als Behinderten dar, zeigen ihn manche Karikaturen doch mit einem Fahrgestell, ohne welches sich der Monarch gar nicht mehr hätte fortbewegen können. Man macht ihn lächerlich, entmündigt ihn, stellt ihn mit dem Daumen im Mund wie ein Kind dar. Würde man hierzu eine charakteristische Zeichnung betrachten, könnte man fast meinen, die darauf abgebildete Person sei unzurechnungsfähig und völlig geistesabwesend. Man könnte jetzt darüber streiten, ob der König, je länger er unter mehr oder weniger strenger Observation lebte, tatsächlich den Bezug zur Realität verlor und womöglich schon nicht mehr ganz bei Sinnen war - wobei die noch lang geführten Korrespondenzen mit diversen Höfen eher dagegen sprechen würden. Fakt ist aber, dass sich die Karikatur als meinungsbildendes Medium dieses neuen Bildes des nicht mehr unantastbaren Königs bediente.
Der Konvent musste diesem Bild entgegen wirken und alles versuchen, die Flucht und den Hochverrat an der Republik als ganz bewusst intendierte Handlungen Louis XVI. darzustellen. Die eigentlich unvorstellbare Hinrichtung konnte erst dadurch realisiert werden, da man dem Pariser Volk den ehemaligen König als bösartig und berechnend präsentierte – dies war die Rechtfertigung, die die neue Spitze des Systems benötigte und ebenso das Ziel, welches man mit der Kreierung neuer Körpermetaphern beabsichtigte.
Denn das stufenweise geschehende Procedere der Entkörperung, welches neben den dem Volk als durchaus beabsichtigt verkauften antirepublikanischen Handlungen des Königs eine essentielle Grundbedingung der Exekution darstellte, ging nicht nur auf die Ausuferung der antiroyalistischen Karikatur zurück, die sich während der Revolution durch alle sozialen Schichten zog und mit dem Aufblühen der Café- und Salonkultur auch eine geeignete Lokalität gefunden zu haben schien.
Die Propaganda der revolutionären Elite in Frankreich hatte eine neue Idee der Körpermetapher entworfen. Im Ancien Régime stand der Körper des absoluten Monarchen noch symbolisch für das gesamte Königreich. Dies bedeutete, dass sich die königliche Köpermetapher jeden Franzosen ungeachtet des sozialen Ranges oder etwa des Geschlechts einverleibte. Um dieses Konzept zu vermarkten besetzte der Herrscher die öffentlichen Räume Paris’ mit Statuen, die seinem Abbild entsprachen und die die Aufgabe hatten, dieses allumfassende Ideal somit im wahrsten Sinne des Wortes zu verkörpern.
Mit der großen Revolution Ende des 18.Jahrhunderts wurde jene Vorstellung eines vollkommenen, königlichen Körpers aber gebrochen. Die neuen Autoritäten mussten die alte Körpermetapher zerstören, um stattdessen ein Ideal zu erschaffen, welches die versprochene Ordnung der Gesellschaft nach dem Prinzip der Gleichheit verkörpern konnte. Ziel dieses Vorhabens war die Kreierung eines universalen Körpers, mit dem sich jeder Mensch identifizieren konnte. Später sollte die Funktion dieses neuen Bildes eines repräsentativen Menschen als politisches Instrument noch offensichtlicher werden, als die Terreur vor keinem Individuum Halt zu machen brauchte, da doch alle, zumindest ideell betrachtet, gleich waren.
Die Propaganda der revolutionären Führungsschicht beschloss, dass nur ein neuer, regenerierter Körper die neue, endlich gesundete und von der Krankheit der Statusunterschiede geheilte Gesellschaft wiedergeben konnte. Schließlich entstand ein rationaler und zumeist kolossaler Körper, der seine soziale Herkunft zu verstecken schien. Ein Idealbild, das ein vermeintlich höheres Potential der Bewegungsfreiheit besaß und besser proportioniert war; ein Heiliger, dessen Tugenden Gleichheit und Freiheit waren.
Notgedrungener Maßen musste sich beim Versuch der Darstellung von Brüderlichkeit ein großes Problem ergeben. Gleichheit lässt sich durch ausgewogene Proportionen visualisieren, Freiheit durch Bewegung. Brüderlichkeit aber kann man mit einer einzelnen Skulptur kaum wiedergeben. Zudem muss der Protagonist der Brüderlichkeit im Prinzip männlichen Geschlechts sein. Insofern lässt sich der Erfolg der Marianne vermutlich eher aus der traditionellen Präsentation von Tugendhaftigkeit durch Frauen, sowie durch ihre Rolle als nährende Mutter der Nation erklären.
Das Endprodukt dieser Neukreierung war die Abschaffung der alten monarchistischen Repräsentation des Staates, welche auf der traditionellen Metapher des königlichen Körpers basierte. An ihre Stelle trat ein neuer politischer Körper: Jener des Bürgers, der als Garant für die Souveränität der neuen Macht auftreten sollte.
Die dem Monarchen zugeschriebene Machtlosigkeit, sowie das ihm vorgeworfene politische Unvermögen, die Vorstellung des körperlichen Martyriums im Dienste der Republik oder etwa die Darstellung politischer Gegner als Monster, Tiere oder sexbesessene und triebgeleitete Personen führten unmittelbar zur Transformation der dominierenden Körpermetapher während der französischen Revolution und somit zur Entkörperung des ehemals durch den absoluten und unantastbaren Corpus gekennzeichneten Monarchen.
Bis zum Prozess gegen den König und die darauf folgende Hinrichtung schienen diese Entwicklungen, ergo der Verfall von Mythos und Corpus, den neuen Autoritäten kaum Schwierigkeiten zu bereiten. Zwar gab es im Jahre 1793 und auch noch danach in versteckter Form etliche Anhänger der Monarchie - wenngleich vermehrt in konstitutioneller Form. Aber für die radikalen Strömungen, die sich bereits mit immer mehr Aggressivität für die Abschaffung des Königtums eingesetzt hatten, war diese Entwürdigung der alten Ordnung womöglich gar notwendig, um das kommende totalitäre Regime zu gebären. Auch die Exekution war unter dieser Betrachtung eine Notwendigkeit geworden, denn hätte man den des Hochverrats angeklagten König freigesprochen, so hätte man die Republik und somit die Revolution als Ganzes in Frage gestellt. In dieser prekären Lage musste die Hinrichtung, zumindest aus Sicht der radikalen Teile des Konvents, stattfinden. In dem von teilweise selbst erzeugtem Zeitdruck gekennzeichneten Verfahren schien die Ausschaltung der Gegenparteien weniger Problematiken aufzuwerfen, als die Frage, wen man denn nun hinrichtete. Die Karikatur sowie die Transformation der Körpermetapher hatten einen nahezu unzurechnungsfähigen Menschen entstehen lassen.
Vor dem Konvent konnte man eine derart labile Persönlichkeit aber nicht auftreten lassen. Das Konzept, dass man stattdessen verfolgte war die totale Neutralisierung des ehemaligen Monarchen, aber selbst hierbei ergaben sich diverse Schwierigkeiten. Denn Louis XVI. war zu Louis Capet geworden, fast so, als hätte man einen König nicht, einen normalen Bürger aber sehr wohl hinrichten können. Nun war der Bürger aber der Idealmensch der Revolution und ausgerechnet diesen hatte man nun umzubringen. Insofern könnte man dieses Vorgehen als erste große Niederlage des Konvents innerhalb der Geschehnisse rund um die Exekution werten. Nicht die alte Ordnung, sondern ein gleiches Mitglied der neuen Gesellschaft wurde verurteilt. Im Grunde entwürdigte man Louis indem man ihn zu einem Bürger machte, was einer Geringschätzung und gar einer Abwertung des Bürgers an sich gleich kam.
Zudem hätte man während der Schreckensherrschaft, sofern ein König gerichtet worden wäre, das politische Druckmittel auf die Gesellschaft deutlich forcieren können; nach dem Motto: Wenn wir einen unantastbaren Menschen töten können, dann können wir problemlos jeden einfachen citoyen beseitigen.
Auf der anderen Seite war die neutrale Basis, die man mit dieser Statusverschiebung erzeugt hatte, der Ausgangspunkt für einen scheinbar rationalen und somit vermeintlich gerechten Prozess. Wäre Louis als König aufgetreten, so hätte man ein ideologisches Argument gehabt, ihn zu richten: Als ranghöherer Mensch wäre er nicht kompatibel mit einer Gesellschaft gewesen, welche durch das Prinzip der Gleichheit geformt wurde.
Dadurch, dass er nun ein einfacher Bürger war, musste man bereits einen besseren Grund finden, wodurch sich allerdings wiederum neue Diskrepanzen ergaben. Anstelle von königlicher Labilität in Bezug auf die Regentschaft seines Volkes warf man ihm nun bürgerliche Böswilligkeit und gezielte Intention in puncto Verrat der Republik vor. War Louis die Jahre davor als immer unfähiger dargestellt worden, so präsentierte man ihn auf einmal wieder als fähig, ergo als einen Mann, der sämtliche Taten mit großem Kalkül begangen hatte. Jedoch stellt sich die Frage, in wie weit diese kurzfristige Neubesetzung seines Charakters und seiner Eigenschaften tatsächlich auch in den Köpfen der Pariser Bürger Fuß fasste, denn schließlich waren diese die Zieldestination des neuen Konzepts. Oder hatten selbst die Karikatur und eine neue Körpermetapher nichts dazu beitragen können, den Status des Königs realiter zu brechen? Gab es einen Unterschied zwischen der Darstellung des Monarchen und der tatsächlichen Einstellung der Menschen diesem gegenüber?

Wilhelm von Wolzogen, im Jahre 1793 diplomatisch in Paris tätig, berichtet in seinem Tagebuch sehr genau von den Ereignissen, die sich rund um den 21.Jänner in der französischen Hauptstadt abgespielt haben. Bereits eine Woche vor der Exekution verordert die convention eine Maßnahme, die die Nervosität offenbart, welche die radikale Gruppierung der Versammlung in Hinsicht auf die Entscheidung zwischen Leben und Tod eines ehemals Unantastbaren hatte. Am 14.Jänner, als der Konvent über die Frage des Hochverrats und die damit in Verbindung stehende Strafe debattiert, soll „im Interesse der öffentlichen Sicherheit“ die erste Etage eines jeden Hauses beleuchtet werden. Nervosität ist ein Zeichen von Unsicherheit. Dem Konvent war offenbar nicht bewusst, wie das Volk reagieren würde, wenn man ein Todesurteil verkünden würde – was wiederum die vielen Vorsichtsmaßnahmen erklärt, die unternommen wurden. Oder er wusste ganz genau, dass der königliche Mythos nach wie vor in den Köpfen vieler Menschen schlummerte, dass die royalistisch Gesinnten im Lande noch stark vertreten waren. Beides würde darauf hindeuten, dass Karikatur, reale Ereignisse und neue Körpermetaphern für große Verwirrung gesorgt hatten, was den Stellenwert des ehemaligen Staatsoberhauptes betraf. Wie hätte man also vorgehen sollen? Die alte Ordnung war zu beseitigen, um die erlangte Macht zu sichern und um sie schließlich zu totalisieren – jedoch wusste man nicht wirklich, welches Ausmaß besagte Ordnung noch hatte. Daher musste man den Weg der größtmöglichsten Neutralisierung einschlagen, die Hinrichtung als Nichtereignis verkaufen, zugleich aber auch mit allen Mitteln den reibungslosen Ablauf des Vorhabens gewährleisten.
Der Tod des ehemaligen Monarchen war in bestimmten Kreisen also mit dem Beginn der Verhandlung und vermutlich schon gewisse Zeit davor beschlossene Sache. Wolzogen präsentiert dem Leser die convention dennoch als nervös und desorientiert in ihrem Verhalten. Dies hatte jedoch weniger mit der Entscheidung an sich, sondern vielmehr mit der Durchsetzung Selbiger zu tun. Dabei gab es zwei große Problemgruppen: Einerseits die nach wie vor royalistisch Gesinnten in der Versammlung, andererseits die Anhänger des Königtums im Volk. Gerade Wolzogen, der, je näher das Datum der Enthauptung rückt, seine pro - königliche Einstellung zum Vorschein kommen lässt, ist ein gutes Beispiel dafür, wie der dem Konvent nach ehemalige Monarch durchaus noch gesehen wurde: Er schreibt keineswegs von Louis Capet, sondern bevorzugt die alte statusbetonende Form Louis XVI.
Als Louis am 15.1. der Vorwurf des Hochverrats gegen die Republik und des Attentats gegen die Freiheit gemacht wird, sei aus einer Ecke des Sitzungssaales ein „murmure de mécontement“ zu hören gewesen. Die Versammlung, die über die vielleicht größte Entscheidung der gesamten Revolution abzustimmen hatte war sich also keineswegs einig darüber, wie man den König – wenn überhaupt - zu bestrafen hatte. Daher mussten die Anhänger einer möglichen Hinrichtung alles versuchen, um ihr Anliegen so rasch und risikofrei wie möglich zu verwirklichen. Diverse Schriftstücke und Wortmeldungen, die für den ehemaligen Monarchen gesprochen hätten wurden als inhaltslos oder gar als Fälschung abgetan, was allerdings zur Unzufriedenheit vieler Abgeordneter führte.
Am 16. Jänner schreibt Wilhelm von Wolzogen in sein Tagebuch, dass man viel unternehmen würde, um die Deputierten einzuschüchtern, die offenbar nicht vorhatten, für den Tod des König zu stimmen. Zudem habe es in jenen Tagen nur selten Verhandlungspausen gegeben – ein Indiz dafür, dass die Radikalen der Versammlung diese politisch unangenehme Situation so bald wie möglich hinter sich bringen wollten. Denn wäre man die Sache gemächlicher und eventuell überlegter angegangen, so hätte womöglich eine Gegenpartei genügend Zeit gehabt, sich zu formieren und eine starke Opposition zu bilden.
An jenem Tag akzentuiert Wolzogen nochmals seine Sympathie für den Monarchen, indem er sein tiefstes Mitleid ausdrückt: Er leide an der Überstrapazierung seines Geistes und seines Körpers, an einem Nahrungsdefizit und an panischen Angstzuständen, was es ihm unmöglich machen würde, klar zu denken. Die Stadt selbst sei zu diesem Zeitpunkt noch recht ruhig gewesen. Jedoch muss man das ausbleiben von möglichen Ausschreitungen relativieren: Die Stille der Pariser Volksmasse wurde bestimmt nicht ausschließlich durch ihre Abneigung zum König erwirkt – unzählige Polizeikontrollen prägten das Bild der Straßen vor der unmittelbaren Hinrichtung. Außerdem ist es nicht klar, in wie fern das Volk über die Pläne des Konvents tatsächlich informiert war.
Am 17.1. fand die alles entscheidende Abstimmung im Tagungssaal des Konvents statt. Laut dem Diplomaten waren 369 Abgeordnete für die Exekution durch die Guillotine, wohingegen 319 mildere Strafen wie das Gefängnis oder etwa die Verbannung bevorzugt hätten. Jedoch zählte die convention de facto 745 Mitglieder. So wurden Abgeordnete, die sich in den Vorverhandlungen für eine mäßigere Vergeltung ausgesprochen hatten kurzerhand mit diversen Aufträgen vom Votum ferngehalten.
Am 18.1. wusste nun das Volk, dass der Mann, den sie früher womöglich nicht einmal zu Gesicht bekommen hätten, nun vor ihren Augen hingerichtet werden sollte. Und Wolzogen notiert tout à coup, dass „Alle Menschen nun […] nach dem Urteil angespannt“ seien und weiter: „Man könne die Furcht und die Hoffnung in jedem Gesicht erkennen“. Obschon dies recht theatralisch ausgedrückt sein mag – auf eine Gesellschaft, die sich von den Karikaturen und der neuen Körpermetapher zur Vorstellung eines absolut unfähigen Herrschers hat hinreißen lassen, lässt dies nicht direkt schließen. Und schon gar nicht auf eine Menschenmasse, die in sich geschlossen und einer Meinung war. Die Republik schien zwar vorläufig im ideellen Sinne eingerichtet zu sein, doch die Realität war wesentlich diffuser. Fakt ist, dass der kommende Akt, der den Todesstoß der alten Ordnung besiegeln sollte, auch im Volk ein enorm wichtiges Thema war; Wolzogen meint, dass in fast jedem öffentlichen Gebäude darüber geredet werde. Zudem sollen einige Abgeordnete, die den König verteidigt hatten, der Assemblée die Fälschung der Abstimmung vorgeworfen haben.
Doch die mächtigen Stimmen des Konvents verwerfen diese Forderung sofort. Bereits am 19.1.1793 wird das Todesdatum festgelegt. Wiederum werden Hektik und Nervosität offensichtlich. Wolzogen meint hierzu, dass das Interesse am König groß sei, jedoch – in Anspielung auf die sansculottes - weniger in den unteren Schichten der Bevölkerung. Er erklärt, dass dies verständlich sei, habe man doch in den letzten drei Jahren alles unternommen, um den Status des Königs zu vernichten. Am Ende des Eintrags ergänzt er noch: „Le roi devra mourir, et il n’est guère qu’un miracle qui pût le sauver.“
Am Tag darauf lehnt der Konvent die vom Verurteilten erbotene Gnadenfrist von drei Tagen zurück. Zudem ordnet er erneut die Beleuchtung der Häuser an, setzt eine noch größere Zahl an Sicherheitskräften ein und befiehlt, dass jeder, der um die Gnade des ehemaligen Königs flehe, ins Gefängnis zu werfen sei. Daraufhin herrsche in den Straßen „absolute Ruhe“, Paris sei überhaupt noch „nie so ruhig gewesen“. Diese Stille und die Starrheit der Bevölkerung entstammen aber nicht ausschließlich einem Gefühl des Mitleids gegenüber dem König, sondern spiegeln die Angst wieder, deren Erzeugung das offensichtliche Ziel der mit der Schreckensherrschaft beginnenden radikalen Fraktion war. Die Hinrichtung gab der neuen Autorität im Lande erstmals eine wirkliche Möglichkeit, mit einer Art Polizeistaat zu experimentieren. Wolzogen berichtet, dass sich vor allem Edelleute von der Straße fernhalten würden, da man ihnen royalistische Sympathien nachsage. Die angebliche Königstreue gibt er in einer persönlichen Schätzung wieder: Von den 500.000 Einwohnern gäbe es vielleicht 20.000, die den Tod des Monarchen wünschten, 100.000 seien diesbezüglich gleichgültig eingestellt, aber die Übrigen würden ihn gerne retten, wenn sie doch nur könnten. In diesem Sinne betrachtet er die neue Regierung als eine Art Diktatur der Tyrannei und legt damit schon recht früh die zukünftige Realität offen.
Der 21.Januar des Jahres 1793 konfrontierte die neuen Machthaber offenbar erneut mit einem Widerspruch im Konzept. Bis hierhin hatte man alles versucht, um die größtmöglichste Neutralisierung des Ereignisses zu erwirken. Üppige Präsenz von Gewaltpotential mittels der vielen Polizeistreifen in weiten Teilen der Stadt erzeugten de facto Angst, sorgten aber auch dafür, dass eine scheinbar gleichgültige Ruhe herrschte. Darüber hinaus wurde die Bewusstmachung des bevorstehenden Ereignisses gezielt minimiert, indem man zwischen der Urteilsverkündigung und der Vollstreckung kaum Zeit verstrichen ließ. In diesem Zusammenhang wäre es natürlich von Interesse, wie lange man bei gewöhnlichen Verurteilten nach dem Prozess mit der Exekution wartete. Prinzipiell verfolgte man jedoch die Idee, dass weniger Zeit notgedrungener Maßen auch zu weniger Möglichkeit der Wahrnehmung eines Geschehnisses führen musste. Ein Beispiel hierzu stellt das Grab Tutanchamuns dar. Ägyptologen sind sich heute weitgehend einig darüber, dass die kostbaren Schätze der Todesstädte deshalb erhalten geblieben sind, da es nie Grabräubern zum Opfer gefallen war. Dies wiederum hat aber die Ursache, dass man das Grab in kürzester Zeit errichtete. Auch die Todesprozession des von der Priesterschaft Thebens verhassten Pharaos fiel sehr spärlich aus. Ergo hatten eventuelle Grabräuber weniger Zeit, um zu erkennen, welche Reichtümer hier zusammengetragen wurden, ja dass überhaupt ein Grab an dieser Stelle errichtet worden war.
Die Neutralisierung war also bis zu diesem Schicksalstag relativ vehement angestrebt worden. Doch nun, als hätten die Urteilsfäller auf einmal erkannt, wen sie eigentlich hinrichteten, wichen sie ein wenig von ihrer Konzeptlinie ab. Von Wolzogen berichtet, dass man von fünf bis zehn Uhr Vormittags in den Straßen nichts anderes als absolute Stille vernehmen konnte, welche jedoch von „schrecklichem Trommelwirbel“ bedeckt war. Schenkt man dem Bericht glauben, so erscheint das offenbar immer wieder anklingende Geräusch doch als recht eigenartig. Hätte man auch bei einem „normalen“ Verurteilten die Felle der Trommeln fünf Stunden lang wirbeln lassen? Und wäre die Menschenmasse bei einem Allerweltsbürger der Fahrt zum Schafott im Zustand derartig unheimlicher Stille gefolgt? Der Konvent hatte es nicht geschafft, aus der Hinrichtung des Königs ein Nichtereignis zu machen. Das Volk wusste, wer hier sterben würde. Auch Wolzogen spricht nach wie vor von „le roi“ und der „place de Louis XV.“, auf der schon „verschiedene Gruppierungen“ versammelt seien. Interessant ist, dass die Lokalität der Hinrichtung bereits 1792 den neuen Namen „place de la Révolution“ erhalten hatte. Daher ist es schwer festzustellen, ob der Platz nun einer königlichen, oder einer revolutionären Semiotik zugrunde lag.
Die Örtlichkeit am damaligen westlichen Ende der französischen Hauptstadt unterlag im Laufe der Geschichte und vor allem während der großen Revolution mehreren Deutungsverschiebungen. Ursprünglich war der heutige Platz der Eintracht als geeigneter Rahmen für die Reiterstatue Louis XV. des Bildhauers Bouchardon gedacht gewesen. Jacques Ange Gabriel legte einen achteckigen Platz an, der zunächst von einem Graben umgeben war. Bereits am 30.Mai 1770, als anlässlich der Trauung des Dauphins mit Marie Antoinette spektakuläre Feierlichkeiten stattfanden kam es zu einem großen Unglück: Ein fehlgeleiteter Feuerwerkskörper versetzte die Menge in Panik, was 132 Tote zur Folge hatte.
Der Platz, auf dem so viele Pariser Bürger ihr Leben ließen unterlag in seiner Konzeption einer eindeutig königlichen Intention. Das Gesicht der im Stile eines römischen Imperators entworfenen Figur, die stolz auf ihrem Ross thronte, blickte in Richtung Tuilerienschloss und somit zugleich in Richtung Paris. Louis XV. präsentierte sich im Prinzip als eine Art wachender Fremder in oder eher vor der Stadt. Die Ausrichtung der in etwa vier Meter hohen Statue schien also einer gezielten Idee seitens der Obrigkeit zu unterliegen. In dieser Tradition stehend könnte man auch den Lichtstrahl des modernen Eiffelturms betrachten, der sich um die eigene Achse dreht und dadurch in der Nacht die Impression eines wachenden Auges über der ganzen Stadt hinterlässt.
Der Platz war also nur die Fassung, eine Betonung dieser politisch höchst expressiven Skulptur, die den König als starken Krieger darstellte, während – um keine Zweifel am damaligen Geschlechterverhältnis aufkommen zu lassen – der Sockel von vier mit römischer Tracht spärlich bekleideten Frauen gestützt wurde. Auch der architektonische Stil des Platzes verdeutlicht das Königliche. Am nördlichen Ende ließ man zwei klassizistische Bauten (das heutige Hôtel de la Marine und das Hôtel Crillon) errichten, deren Fassaden nahezu jenen der Kolonnaden des Louvre entsprechen. Damit setzte Louis XV. die politische Sprache des Sonnenkönigs fort, und diese lautete Distanz bei gleichzeitiger Kontrolle.
Während der Revolution ließ man dem Platz im Gegensatz zu manch anderen Örtlichkeiten der Stadt zunächst seinen Namen. Jedoch schien mit dem Niedergang des Königs als Person auch der Verfall der von ihm semiotisch besetzten Orte einzusetzen, denn am 10.August 1792 wurde die ehemalige „place de Louis XV.“ in „place de la Révolution“ umbenannt. Mit dem Directoire kam es zu einer erneuten Bedeutungsverschiebung, als die riesige Fläche den Namen „place de la Concorde“ erhielt, den sie bis in die Zeit des Empires behalten sollte. Man sollte erwähnen, dass der Raum zu jener Zeit - seiner Bezeichnung gerecht – um zwei neue Statuengruppen am Eingang hin zu den Champs Élysées bereichert wurde: Die Chevaux de Marly wurden 1795 aufgestellt und scheinen in ihrer aufbäumenden, wilden und revolutionären Gestalt passende Ergänzungen zu jenen beiden Skulpturen zu sein, die sich am Eingang der Tuileriengärten befinden und Ruhe, Ordnung und Gehorsam symbolisieren. Man erhält den Eindruck, dass hier mittels der Kunst versucht wurde, einen Konsens zwischen dem Königtum und der Revolution zum Ausdruck zu bringen, ergo die Concordia beider Seiten.
Mit der Restauration schließlich kehrte auch die königliche Semiotik zurück. Nach der Renaissance der ehemaligen „place Louis XV.“ wird der Platz sogar Louis XVI. gewidmet. Im Zuge dieser Transformation hin zu einer Örtlichkeit, die nun, da Louis XVI. fernab der Hinrichtung kaum etwas mit jener zu tun hatte, zu einem Raum des königlichen Martyriums geworden war, dachte man sogar daran, diesen mittels Kolonnadengängen repräsentativer, sprich royalistischer zu gestalten. Aufgrund dieser ständigen Veränderungen ist die Place de la Concorde wohl eines der prägnantesten Beispiele semiotischer Verwandlung in Paris, denn letztendlich offenbaren Architektur, Skulptur und Namensgebung einen scheinbar nie enden wollenden Machtwechsel. So brachte man nach der Zerstörung der alten Königsskulptur am 11.August 1792, also nur einen Tag nach dem Sturm auf das Tuilerienschloss, eine Figur der Liberté in der Mitte des Platzes an und dachte wiederum später daran, neuerlich eine elitäre Geste zu setzen und Louis XVI. im Zentrum des Raumes zu platzieren.
Faktum ist, dass das ursprünglich königlich besetzte Volumen trotz der spontanen Umbenennung in „place de la Révolution“ zum Zeitpunkt der Enthauptung noch von der alten Ordnung geprägt zu sein schien. So sahen dies zumindest ein Célestin Guittard de Floriban und sogar verschiedene öffentliche Zeitungen und so hat es wahrscheinlich auch die Pariser Volksmasse wahrgenommen. Damit wurde der König auf einem der Monarchie und der Observation der Bevölkerung geweihten Platz beseitigt. Natürlich hatten es die neuen Machthaber beabsichtigt, die Eignung des Raumes für historische Spektakel weiterhin zu nützen, jedoch hatten sie es nicht geschafft, diesen bis zum Hinrichtungsdatum mit einer neuen revolutionären Semiotik zu besetzen. Auch das Ideal des leeren Raumes, welches in diesem speziellen Falle – anders als bei den späteren revolutionären Festen - zu einer Passivität der Masse hätte führen sollen, konnte in der Realität nicht einwandfrei umgesetzt werden. Denn der Todesstille während sich der Zug dem Schafott näherte folgte laut Wolzogen eine zum Teil recht aufgebrachte Menschenmenge. Zwar seien einige Anwesende mit derselben Gleichgültigkeit von der Stätte der Hinrichtung wieder weggegangen, mit der sie gekommen waren, doch sollen etliche Menschen „point de paroles – à bas la tête“ geschrien haben. Diese offensichtlich aktive und antikönigliche Stimmerhebung der Masse hätte man aus Sicht der Revolutionäre noch verdauen können, jedoch zeigten die Augenblicke unmittelbar nachdem der Kopf gefallen war in aller Deutlichkeit, um wen es sich bei diesem Toten handelte: Viele der Zuseher drängten sich durch das enorme Polizeiaufgebot, das zur Neutralisierung des Schafotts und des Verurteilten um eben dieses positioniert waren, und tauchten ihre Taschentücher in das Blut des ehemaligen Monarchen. Mit dieser spontanen Handlung hatten die Planer des der Exekution wohl kaum gerechnet.
Man hatte alles probiert, um dass Ereignis so still wie möglich ablaufen zu lassen. Als der König angeblich sprach „Je meurs innocent, je pardonne à mes ennemis“, warf Santerre ein, dass man ihn nicht zu Wort kommen lassen solle und befahl augenblicklich, die Trommeln zu wirbeln. Kurz darauf, irgendwann zwischen 10h15 und 11h00 – hier widersprechen sich die Quellen – soll das Beil gefallen sein. Dies bedeutet, dass das gesamte Procedere extrem rasch ablief – man wollte weder eine pathetische Rede des Königs noch einzelne Gnadenrufe aus dem Publikum riskieren, die die Stimmung offenbar in eine andere Richtung hätten lenken können. Zu diesem Zwecke wurde auch die Chance des Kontakts zwischen dem Verurteilten und der Masse minimiert. In puncto des Blicks bedeutete dies, dass das Schafott niedrig und von Soldaten beziehungsweise Polizeibeamten umzingelt war, die in mehreren Reihen hintereinander standen. Zudem dämpfte man die Akustik, indem man über mögliche Worte einfach den Klangteppich der Trommeln legte.
Im Grunde scheiterten die beiden großen Konzepte revolutionärer Massenveranstaltungen. Die Hinrichtung, die wegen der großen Nervosität der neuen Autoritäten als Nichtereignis geplant worden war, wurde zu einer letzten Erinnerung an den königlichen Körper und sogar an seinen Mythos. Selbst die Stille, die den Zug zur Hinrichtungsstätte begleitete muss unter diesem Blickwinkel als eine Art der Massenaktivität gesehen werden. Sennett hat vermutlich recht, wenn er behauptet, dass sich niemand aus Angst vor der Verantwortung für den Tod dieses besonderen Verurteilten äußerte. Allerdings hat bestimmt auch die Überraschung wegen der plötzlichen Aufhebung der Distanz zwischen dem ehemalig Unantastbaren und seinen Untertanen zur Verstummung der Partizipanten geführt.
Summa summarum war es irreal zu glauben, dass man diesen historischen Einschnitt in der Geschichte Frankreichs verbergen könne. Der Konvent hatte sich zu sehr am Ideal der Revolution orientiert. Die Erkenntnis dieses Fehlschlags wird durch das große Begräbnis Pelletiers und die Versuche, aus der „place Louis XV.“ doch noch einen Ort der jungen Republik zu machen, unterstrichen. Doch hierauf werde ich erst ein wenig später näher eingehen.
Die zweite große Idee, die den revolutionären Festen oder eben den riesigen Umzügen, welche in der Tradition der christlichen Prozessionen standen, zugrunde lag, konnte in der Praxis ebenfalls nicht realisiert werden. Das Ideal des leeren Volumens, das symbolisch für die Freiheit stand, führte zur Orientierungslosigkeit der Teilnehmer und dadurch zur Passivität, die man in diesem Falle jedoch verhindern wollte. Der Raum war zu groß geworden.

Nachdem das Blut des Königs mehrere Taschentücher getränkt hatte, sorgte man rasch dafür, dass der Platz geräumt wurde. Zwar schreibt Von Wolzogen, dass man kurz nach dem Heruntersausen des rasoir national „Vive la nation!“ und „Vive la république“- Rufe gehört habe; jedoch hätte sich wahrscheinlich angesichts des immensen Polizeiaufgebots kaum jemand getraut, „Vive le roi!“ zu schreien. Auch nicht Wolzogen, der vom Verbrechen am „infortuné“ spricht und entrüstet behauptet: „La nation m’apparut comme un monstre que je n’aurais encore jamais vu.“
Die aktive Stille der Pariser Bevölkerung prägte noch den gesamten Rest dieses kalten Jännertages. Sie wurde nicht zuletzt durch die umherziehenden bewaffneten Patrouillen forciert, die dafür sorgten, dass sich kaum ein Bürger vor die eigene Haustür wagte. Das bewusste, nahezu nachdenkliche Schweigen, von welchem Paris zu diesem Zeitpunkt durchflutet wurde, war auch noch am 22.Januar zu spüren, als die meisten Geschäfte nach wie vor geschlossen waren.
Um diesem Stillstand der Zeit entgegenzuwirken, welcher seit dem Fall des Beils das Bewusstsein der Menschen zu dominieren schien, startete der Konvent das vielleicht größte Ablenkungsmanöver in der Geschichte der Revolution. Nachdem man den Leichnam Louis’ in Windeseile fortgetragen und bestattet hatte, versuchte man den Mord an Pelletier, der ja bekannter Weise für die Hinrichtung gestimmte hatte, von der Wertigkeit her über den Tod des Königs zu setzen. Als wäre er ein Heiliger wurde sein Leichnam im Hause seiner Eltern öffentlich zur Schau gestellt. Neben der gezielt angestrebten Verdrängung der Exekution des ehemaligen Monarchen, die durch diesen in ein Martyrium umgewandelten Mord erreicht werden sollte, diente das Attentat zugleich als Argument, umfangreiche Hausdurchsuchungen zu unternehmen und erste politische Gegner auszuschalten.
Am 24.Jänner 1793, also nur vier Tage nach der Bluttat in einem Café im Palais Royal und nur drei nach der Hinrichtung Louis’ fand das überaus aufwendige Begräbnis des neuen Republikhelden statt. Der König sollte augenblicklich in Vergessenheit geraten und die Revolutionäre wollten die Niederlage ihres Konzepts so rasch wie möglich vertuschen. Als royalistisch gesinnter Mensch erwähnt Wilhelm von Wolzogen die Bestattung Palletiers nur ganz kurz – mehr darüber berichtet jedoch Célestin Guittard de Floriban und zudem ein womöglich noch interessanter Quellenkorpus – die revolutionären Zeitungen.
Floriban, der dem bürgerlichen Milieu entstammt bestätigt zunächst die Aussagen Wolzogens. Am 14.Jänner habe man die Häuser beleuchten lassen, aus Angst vor Erhebungen, wie er meint. Er selbst hofft, dass es auf den Straßen zu keinen gröberen Zwischenfällen komme. Am 17.1. notiert er in seinem Tagebuch, nach der Erwähnung eines privaten Dîners, in ausführlichster Weise die Zahlen der Abstimmung, führt jedoch andere Daten als Wilhelm von Wolzogen an: Nicht 369, sondern nur 366 hätten für den Tod gestimmt, 319 hingegen für die Inhaftierung beziehungsweise das Exil. Weiters listet er die genaue Zahl der Abwesenden auf. Es seien 23 gewesen, die an diesem Tag nicht im Sitzungssaal erschienen seien. Daher war die Zahl der Abgeordneten von 745 auf 721 reduziert worden. Für einen Urteilsspruch war die Hälfte der potentiellen Stimmen an diesem Tag notwendig – die Entscheidung war also denkbar knapp, die politischen Divergenzen klar ersichtlich. Am Ende des Eintrags notiert Floriban: „Ainsi a prononcé le Président de l’Assemblée: la peine prononcée contre Louis est la MORT.“ Als wäre ihm bewusst geworden, dass der Mythos des Königs, für den er Louis noch immer hielt, nun endgültig gebrochen werden würde.
Erst am 21.Jänner folgt der nächste nennenswerte Eintrag: „C’est aujourd’hui Lundi 21 Janvier 1793 que LE CI-DEVANT ROY LOUIS XVI. A ÉTÉ EXECUTÉ“. Der nun ehemalige Monarch sei um 10h20 auf der „place Louis XV.“ guillotiniert worden. Floriban gibt zudem eine interessante Information über die klimatischen Verhältnisse an jenem Tag. Die Temperatur betrug demnach minus 3°C und das Wetter war sehr feucht. Diese Umstände könnten auf zwei verschiedene Arten die Emotionen der Leute beeinflusst haben. Einerseits hätte die Kälte zu einer Massenpassivität führen können. Andererseits hätte das schlechte Wetter die Besonderheit der Hinrichtung betonen können. Denn trotz der tiefen Temperaturen kam an jenem Tag eine ungeheure Masse an Menschen auf die heutige place de la Concorde, was bei einem unbedeutenden Verurteilten wohl kaum passiert wäre. Darüber hinaus muss der graue Himmel unheimlich bedrückend auf den Zug, welcher sich dem Platz näherte, gewirkt haben – gerade so, als würde die Stille der Menge vom Wetter unterstrichen werden.
Am Ende des Eintrags ist eine spätere Hinzufügung erkennbar: Sie betrifft die Exekutierung der „ci- devant Reine“ Marie Antoinette am 16.Oktober selbigen Jahres auf der „place de la Révolution“ [sic!]. Hier sieht man also wunderbar die semiotische Bedeutungsverschiebung einer einzigen Örtlichkeit. Vor allem kann man aber mit aller Deutlichkeit sehen, wie viel Zeit diese Transformation benötigte, um im Kopfe einer bestimmten Person Fuß zu fassen.
Nachdem der König beseitigt worden war, versuchte die revolutionäre Führung auch seinen Platz am Rande der Stadt zu entweihen, um ihn schließlich neu besetzen zu können. So wurde etwa am 10.August 1793, ergo ein Jahr nach dem Tuileriensturm, auf der place de la Révolution die fête de l’Unité gefeiert. Zu diesem Anlass ließ man königliche Embleme am Fuße der Statue der Liberté des Bildhauers Lemot verbrennen, welche man einfach auf den Sockel der vorigen Skulptur Louis XV. hatte aufstellen lassen. Dies beweist, dass man es erst lange nach der Exekutierung schaffte, den Platz politisch neu zu definieren. Erst allmählich wurde die elitäre Observation von der Idealisierung der Freiheit verdrängt. Der Raum war zwar nach wie vor auf Grund seiner Anlage und dem beinahe absoluten Mangel an Hindernissen zur Überwachung geeignet, jedoch schien die Statue der Liberté diese Eigenschaft des gigantischen Volumens zu relativieren. Freiheit kann nicht bewachen, sie kann nur legitimieren.
Anders als noch zur Königszeit war die Lokalität nun scheinbar in die Stadt integriert worden. Dies wäre wohl kaum die Intention Louis XV. gewesen: Pläne für die Anfertigung eines königlich geprägten Platzes in der Hauptstadt zeigen, dass es nicht selbstverständlich war, diesen westlich des Tuilerienparks anzulegen; viele andere Orte wären ebenso in Frage gekommen. Allerdings entschied man sich letztendlich für den Ausbau gen Westen. Damit bevorzugte man nicht nur das flächenmäßig größte Areal, sondern akzentuierte zugleich die königliche Hauptachse. Damit verhalf die place Louis XV. drei Funktionen zur Expression – Repräsentation, Überwachung und Distanz. Die Lage am Stadtrand hatte also ein deutliches politisches Signal gesetzt.
Indem man während der Revolution die geeigneten Eigenschaften des Platzes für Massenveranstaltungen übernahm, diese aber im Dienste der Republik und nicht nur mehr in jenem des einen Herrschers veranstaltete, hatte die Örtlichkeit den Charakter eines Raumes des Volkes und somit der Stadt übernommen. Erst durch diese Integrierung in den urbanen Komplex an sich, konnte die Idee eines Revolutionsplatzes verwirklicht und die alte Semiotik weitgehend verdrängt werden.
Damit war der Raum transformiert worden. Dem Kult rund um die Person Louis XVI. versuchte man jedoch schon viel früher, nämlich gleich nach dessen Hinrichtung, direkt entgegen zu wirken. Célestin Guittard de Floriban bestätigt die rasche Überführung des Leichnams zum cimetière de la Madeleine, die als erste Stufe der intendierten Vertuschung angesehen werden kann. Als zweite Maßnahme dieses Prozesses ist, wie schon erwähnt, das Begräbnis des Monsieur Pelletier de St. Fargeau aufzulisten, über das Floriban sehr ausführlich in seinem Tagebuch berichtet. Die Beisetzung war von der Assemblée Nationale beschlossen und geplant worden. Pelletier sollte als Märtyrer des neuen Regimes dargestellt werden, schließlich war er aufgrund seiner antiroyalistischen Haltung gestorben. Der Gegensatz zwischen alter und neuer Ordnung wurde hervorgehoben, indem man jeder Seite einen Toten zuwies – Louis symbolisierte das Opfer im Dienste des Königtums, Pelletier jenes, welches für die neuen Ideale der Revolution sein Leben ließ. Jedoch ließ man dadurch, dass man dem einen Tod deutlich mehr Anerkennung und vor allem mehr Wertigkeit zugestand, keinen Zweifel darüber aufkommen, wer für die bessere Sache gestorben war.
Das Begräbnis des ehemaligen Monarchen war – wie die Hinrichtung – als Nichtereignis konzipiert gewesen; sei es in puncto des Aktes an sich oder eben in Bezug auf die Dauer des Selbigen. Jenes Pelletiers offenbarte das genaue Gegenteil hierzu: „On a fait une des plus grandes cérémonies qu’il y ait encore eu.“, schreibt Floriban. Der Corpus des Märtyrers wurde vor der Beisetzung öffentlich zur Schau gestellt. Jeder sollte sehen können, zu welchen Taten die Gegner der Republik fähig waren. Es scheint fast so, als hätte man mit der Präsentation des Körpers auch einen symbolischen Akzent setzen wollen, nach dem Motto: Der unantastbare Leib des Monarchen existiert nicht mehr, er wurde vom rationalen, antastbaren Körper eines republikanischen Bürgers ersetzt. Man brachte zum Ausdruck, welcher Mord auf Basis der Gerechtigkeit, und welcher auf jener der Ungerechtigkeit begangen worden war. Durch diese Vorgehensweise gab die neue Führung aber auch deutlich zu erkennen, wer in Zukunft über Leben und Tod der Menschen bestimmen, beziehungsweise die Legitimität für diese Handlungen besitzen dürfe.
Dabei setzten die Planer des Begräbnisses auf die der Politik dienliche Macht der Novität: „On n’a jamais porté ainsi à découvert un homme mort en public. […] C’est un enterrement d’un nouveau genre, sans prêtre. C’est une cérémonie Romaine. Le cortège était si grand et si pompeux et majestueux qu’il a été 4 heures en marche, depuis la place Vendôme où il est mort le Dimanche à minuit jusqu’au Panthéon où il est déposé avec Voltaire, Mirabeau et Soufflot, l’architecte du Panthéon.”
Die offene Zurschaustellung des Leichnams erzeugte Mitleid und somit Gespür für die gerechte beziehungsweise ungerechte Sache. Zudem macht die Einmaligkeit dieser Aktion aber auch deutlich, dass es sich hierbei um einen extraordinären Verstorbenen handelte. Man machte Pelletier zu einem römischen Kaiser, dem zu Ehren ein Zug gigantischen Ausmaßes veranstaltet wurde und krönte ihn sogar mit einem Lorbeerkranz. Die Neuheit offenbarte sich auch in der Umgestaltung des Begräbnisritus – ein katholischer Geistlicher wurde bewusst beiseite gelassen. Letztendlich trat er in den Reigen der großen revolutionären Helden ein. Aufgrund des Wegfalls des Katholizismus, sollte die Vorstellung des Martyriums im Dienste der Revolution noch ein essentielles Instrument der späteren Terreur werden, wie der Tod Marats eindrucksvoll unter Beweis stellt.
Zusammenfassend könnte man die Behauptung aufstellen, dass erst die Hinrichtung Louis’ der Terreur endgültig den Weg ebnete. Fernab der tatsächlichen Beseitigung des wichtigsten Vertreters der alten Ordnung, konnte dieses Ereignis genützt werden, um erstmals die Macht des Polizeistaates zu erproben. Neben Hausdurchsuchungen und ersten Festnahmen politischer Gegner, ließ man nun gezielt Polizei und militärische Verbände en masse in Paris aufmarschieren, konnte somit die eigene Stärke demonstrieren und zugleich die Bevölkerung einschüchtern. Neben der tatsächlichen Waffengewalt nützten die radikalen Gruppierungen die Zeit um die Exekution aber auch, um sich selbst zu präsentieren. So nahm am Begräbniszug Pelletiers etwa der gesamte Klub der Jakobiner, gefolgt von hohen städtischen Würdeträgern und einem immensen Truppenaufgebot, teil. Vor allem aber dürften die Jakobiner damals an der ausbleibenden Passivität der Masse tatsächlich erkannt haben, wie stark das Pariser Volk in sich politisch gespalten war.

Die Berichterstattung der revolutionären Zeitungen akzentuierte in ihren Inhalten im Allgemeinen die Absichten der neuen Macht. Jedoch muss erwähnt werden, dass sich mit dem Jahr 1792 eine Entwicklung zuspitzte, die schon nach der Flucht des Königs angefangen hatte, deutlich zuzunehmen. Das Misstrauen gegenüber royalistisch gesinnten Personen wuchs und somit auch die republikanische Skepsis gegenüber königsfreundlicher Zeitungen. Bald kam es unter dem Vorwand einer möglichen Konspiration der alten Eliten zu Zensuren, woraufhin Verbote und schließlich – verschärft seit dem Sturm auf das Tuilerienschloss am 10.August 1792 und die folgende Ausrufung der Republik – die Verfolgung der Verfasser folgten. Dies hatte zur Folge, dass royalistische Zeitungsberichte zur Hinrichtung Louis’ beinahe gänzlich ausblieben – es ist anzunehmen, dass vereinzelt anonyme Blätter auftauchten, die allerdings schnell wieder aus dem Verkehr gezogen wurden. Diese Kontrolle der Presse sollte während der gesamten Zeit der Schreckensherrschaft weitergeführt werden und konnte erst wieder nach dem 9.Thermidor gelockert werden, als viele der ehemals untergetauchten Autoren erneut anfingen, zu schreiben und es bis zum Putschversuch am 5.Oktober 1795 zu einem generellen Erstarken des Royalismus gekommen war.
Aufgrund mangelnder Kritik erscheinen die Zeitungsberichte, die über die Exekution verfasst wurden, extrem einseitig und parteiisch, allerdings zeigen sie sehr schön, wie der Konvent auch hier zunächst versuchte das Ereignis zu neutralisieren und es anschließend zu vertuschen um letztendlich ein Ablenkungsmanöver zu starten.
Am 18.Jänner berichtet das Journal de France beispielsweise über die Abstimmung in der Convention Nationale, versucht dabei aber einen äußerst nüchternen Bericht zu entwerfen. Dazu wird diese im Grunde enorm wichtige Information auf die letzte Seite des Journals gedruckt, als wolle man ausdrücken, dass hier nichts Bedeutendes passiere. Der Report erwähnt aber eine immer wiederkehrende Stille, die die Sitzung prägte: „Plusieurs minutes se passent dans le plus profond silence, il dit: ‚[…]’“, oder beispielsweise: „Je déclare donc, continue le président, en baissant la voix, au nom de la Convention, que la peine qu’elle prononce contre Louis Capet, c’est la mort. [Profond silence]“ Fernab der Dramatisierung, die typisch für das Zeitungswesen jener Epoche war, hatte die Schilderung aber gewiss auch eine andere Funktion: Stille konnte zwar Nachdenklichkeit bedeuten, jedoch steht sie ebenso für eine gewisse Art der Widerstandslosigkeit und, vermutlich noch wichtiger, für Passivität. Genau diese angebliche Inaktivität, die man dem Schweigen zuschrieb, sollte der Convention aber noch zum Verhängnis werden. Wilhelm von Wolzogen berichtete – anders als das Konventsblatt – von einem unzufriedenen Murmeln, welches aus einer Ecke des Sitzungssaales zu vernehmen war. Dieses Feindbild ließ man im Konventsblatt unter dem Mantel der Stille verschwinden. Stattdessen versuchte man dem Leser mittels der statistischen Wiedergabe des Abstimmungsergebnisses die Souveränität, die Korrektheit und somit auch die Gerechtigkeit des Konvents zu verkaufen.
Das Journal de Lyon, welches sich inhaltlich am Konventsblatt orientiert, veröffentlicht einen Artikel, der – dem Ereignis angemessen – bereits spektakulärer erscheint. Die Neuigkeit wurde an der ersten Seite der Ausgabe angebracht und am Ende der Schlagzeile setzte man zum Zwecke der Dramatisierung zwei Rufzeichen: „Le jugement est prononcé! Louis Cape test condamné à mort!!“ Anschließend folgen in Anlehnung an das Journal de France Zahlenangaben und die Schilderung der silence. Womöglich ist die Betonung der Einmaligkeit des Urteils, die man eigentlich vermeiden wollte, ein Anzeichen dafür, dass die Zensur der Machthaber in Paris zumindest zu diesem Zeitpunkt noch nicht alle Teile des Landes ergriffen hatte. Das Blatt, das angeblich für seine Verspätungen bekannt gewesen sein soll, publiziert den Artikel erst fünf Tage später, was bedeutete, dass die Leser das Abstimmungsergebnis erst erfuhren, als der König bereits tot war. Insofern wird hier wiederum die große Eile ersichtlich, mit der das Urteil vollstreckt wurde.
Dem Konvent konnte es aber auch nicht gelingen, das Konzept der Neutralisierung in ganz Paris durchzubringen, worin wahrscheinlich ein fataler Fehler lag. Denn antikönigliche Hetze und revolutionärer Radikalismus wurden durchaus zugelassen. So schrieben die Révolutions de Paris „[…] à minuit il est terminé… Quel est le résultat? C’est un décret à une majorité de 29 voix qui ordonne que Louis Capet, ci-devant roi des Francais, sera mis à mort dans les 24 heures!!!!!“
Über die tatsächliche Hinrichtung an sich schweigt das Informationsblatt des Konvents beinahe gänzlich. Es ist zwar erneut von der alles überdeckenden silence die Rede, die Enthauptung erhält hingegen den Status eines Nichtereignisses. Nur Barère macht eine kurze Anmerkung: „[…] vous avez fondéla république le 21 septembre, elle a été affermie aujourd’hui à onze heures.“ Auch das Journal de Lyon erwähnt den Tod des ehemaligen Monarchen, angesichts mangelnder Informationen aus Paris, nur in einem kurzen Absatz unter lokalen Nachrichten: „Paris, le 21 janvier 1793, 10 heures et demie du matin. Louis, ci-devant roi des Francais, vient de perdre la tête sur l’échafaud; Paris est tranquille et le peuple paraît content. Hier on a assassiné Pelletier St.Fargeau, à 8 heures du soir, au palais de la révolution.“ In den kommenden Ausgaben wird über die Guillotinierung kein Wort mehr verloren, der Prozess der Vertuschung war eingeleitet worden. Zudem ist bereits von Pelletier und vom „palais de la révolution“ die Rede, welches Célestin Guittard de Floriban noch „palais royale“ genannt hatte.
Am 22.Januar 1793 schriebt Le Patriote francais: „Louis a montré plus de fermeté sur l’échafaud qu’il n’en avait déployé sur le trône. […] Il a dit quelques mots; il a parlé de son innocence, du pardon qu’il accordait à ses ennemis […] Louis a parlé des malheurs qui suivraient sa mort. – O mes concitoyens! Faites que cette fatale prédiciton ne soit pas plus vraie que ce qu’il a dit de son innocence. Réunissez-vous pour sauver la république.” Man betont also die Entschlossenheit des Monarchen, fast so als möchte man zum Ausdruck bringen, dass Louis wusste, dass er für das Wohl der Republik sterben müsse. Nicht das königliche an seiner Person, sondern seine Rolle als Protagonist der Hinrichtung wird gewürdigt. Interessanter Weise wird der Akt des Tötens eines ehemalig Unantastbaren in keiner einzigen Zeitung in Frage gestellt. Stattdessen stellt man Louis hier sogar als einen Hetzer dar, der selbst mit seinen letzten Worten versuchte, die Republik zu spalten und folglich gerechter Weise exekutiert wurde. Mit dem Aufruf zu Ruhe und Geschlossenheit, wird nochmals versucht, die Pariser Volksmasse in die Passivität zu drängen.
Diese verhängnisvoll idealisierte politische Einheit des Volkes wird im Républicain nochmals hervorgehoben: „[…] l’exécution n’a pas duré huit secondes; mais à peine le balancier de la guillotine s’est-il détaché, qu’un cri universel de Vive la république s’est fait entendre; et que tous les chapeaux ont été agités en l’air sur les baionnettes et les piques.“ Kein Wort über die Emotionen des Königs, da jegliches Mitgefühl verhindert werden sollte. Man wollte eine rationale und wohlüberlegte Hinrichtung zeigen, auf keinen Fall durfte sie Gefühle für den ehemaligen Monarchen hervorrufen. Auch keine Erwähnung jener Personen, die ihre Tücher in das Blut Louis’ tauchten und über die in anderen Quellen berichtet wird. Die Masse wird dem Leser als homogen und glücklich präsentiert.
Das Procedere der Vertuschung, welches der gescheiterten Neutralisierung folgte, wird in der Gazette nationale geschildert: „Deux heures après, rien n’annoncait de Paris que celui qui naguère était le chef de la Nation, venait de subir le supplice des criminels. La tranquillité publique n’a pas été troublée un instant.“ Der König wird zu einem gewöhnlichen Kriminellen gemacht und kann dadurch augenblicklich bestattet werden, was sich der Erinnerung an ihn direkt entgegensetzt.
Nach der raschen Beseitigung des königlichen Leichnams wird im Journal de France gerade ebenso schnell ein Bericht zum Tode Pelletiers publiziert. Nur einen Tag nach der Hinrichtung des ci-devant roi rückt ebenjener hinter den neuen Republikhelden zurück, dessen vorbildhafte Tugend mit folgendem Satz zum Ausdruck kommt: „Il est expiré ce matin à une heure, en disant qu’il mourait heureux, puisqu’il avait contribué peut-être au bonheur de sa patrie.“ Am 26.Jänner folgt schließlich eine Schilderung des außerordentlich prächtigen Begräbniszuges, der unter dem Zeichen großen Schmerzes gestanden haben soll. Man bedient sich der Theatralisierung, um vom Geschehenen abzulenken. Auch die Révolutions de Paris preisen den Trauerzug in nahezu ästhetischer und pathetischer Weise. Sie zeigen darüber hinaus eine Abbildung der Beisetzung, auf welcher dem toten Pelletier gerade ein Lorbeerkranz aufgesetzt wird. Darüber steht: „Honneurs rendus à la mémoire de le Pelletier.“ Darunter: „Jeudy 24 Janvier 1793 le corps du Martyr de la liberté fut exposé sur le piedestal de la statue de Louis XIV. Place des Piques ci devant Place de Vendôme.“ Die Revolution hatte einen weiteren Märtyrer geboren. Und da das Martyrium an die Gerechtigkeit gebunden ist, konnte auch die Revolution nur gerechter geworden sein.
Der Hinrichtung Louis XVI. waren wesentliche Veränderungen der alten Ideale vorausgegangen. Karikatur, neue Körpermetaphern und die Vorstellung eines revolutionären Martyriums führten zum scheinbaren Verfall des königlichen Mythos und zur vermeintlichen Entkörperung des einst unantastbaren Monarchen. Jedoch schien die politische Realität nicht mit diesen symbolischen Veränderungen zu übereinstimmen. Als dies der revolutionären Führung bewusst wurde, versuchte sie die gespaltene Masse zu neutralisieren, was ihr allerdings nur beschränkt gelang. Daher musste der Körper des ehemaligen Monarchen so rasch wie möglich in Vergessenheit geraten und an seine Stelle ein neuer, rationaler Corpus gesetzt werden. Die kommende Schreckensherrschaft hatte sich also schon mittels des Ereignisses der Exekution Louis XVI. eine neue ideelle und – wie am Beispiel der heutigen Place de la Concorde erkennbar – räumliche Semiotik geschaffen, ohne derer sich die Terreur als historisches Phänomen kaum erklären lässt.

Dienstag, 8. Juli 2008

Machtverschiebungen zwischen Elite und Masse, zwischen Mann und Frau. Vom Phänomen des Sehens, der Distanz und des Gewaltpotentials des weiblichen Geschlechts.

Die französische Revolution brachte wie kein anderes Ereignis zuvor ein System zum Wanken und sogar zum Einstürzen, welches sich, wenngleich mit wechselnden Höhen und Tiefen, Jahrhunderte lang an der Macht und an der Spitze des Volkes hatte halten können. Zudem erlangte dieses System, ergo das französische Königtum, erst knapp hundert Jahre vor der Prise de la Bastille, einen Status, der im Grunde die uneingeschränkte, absolutistische Machtausübung ermöglichte.
Eine wesentliche Eigenschaft, die seit der Entfaltung der grenzenlosen Verfügungsgewalt unter Louis XIV. die monarchische Herrschaft prägt, ist die Unantastbarkeit des in Versailles residierenden Regenten. Gerade diese Distanz zur breiten Masse ist es, die die Ereignisse seit 1789 maßgeblich mitbestimmen sollte. Hierzu muss jedoch zunächst gesagt werden, dass diese offensive Flucht des späteren Sonnenkönigs nach den Konflikten mit der Fronde eine logische, ja sogar eine zur Rückeroberung der königlichen Machtansprüche essentielle Maßnahme war. Nur in dieser künstlich geschaffenen Welt der Kontrolle, die von einem höchst disziplinierten Hofzeremoniell geprägt war, konnte der Absolutismus seinen Siegeszug antreten. Jedoch schafft Distanz auch Misstrauen.
Während seiner Regierungszeit ließ Louis XIV. im Prinzip nichts unversucht, um dem Volk zu zeigen, dass es fest in seiner Hand liegt. Zugleich machte er aber auch kein Geheimnis daraus, dass er nicht unbedingt auf Kontaktaufnahme mit seinen Untertanen aus war. Zeichen für diese Politik des Abstandes sind heute noch zur genüge in Paris sichtbar. Die Errichtung der Kolonnaden des Louvre symbolisieren beide Ziele der Herrschaft des Absoluten: Sie simulieren einerseits die, wenn nicht reelle, so doch ideelle Präsenz des Königs in der Stadt und sind andererseits eine in der Sprache der Architektur deutlich zum Ausdruck kommende Abweisung der Untertanen.
Generell sollte der Louvre als semiotische Machtdemonstration des Königs umfunktioniert werden. Denn es besteht ein großer Unterschied zwischen dem Ort, in dem der König residiert und jener Lokalität, die Selbigen repräsentiert. Schließlich war die Einrichtung des Königtums nach dem Aufstand der Fronde und der vorhergehenden Herrschaft der Kardinäle beinahe zu einer netten Begleiterscheinung im Rahmen der Regentschaft Frankreichs herabgestuft worden.
Louis musste sich also der Kraft der Zeichen bedienen. Neben dem Louvre lässt er auch die Tuileriengärten umgestalten; er positioniert sich als Herr über die Natur, denn wer selbst die Urkräfte unseres Planeten beherrscht, der kann auch die Menschen in seinem Umkreis dominieren. Zudem spielt er mit dem Gedanken, die neuen, perfektioniert- französischen Parkanlagen nur dem Regenten, folglich sich selbst, zugänglich zu machen.
Es sind die Widmungen, welche einem Ort zugrunde liegen, die den Betrachter in der Auffassung der semiotischen Ausdruckskraft besagter Lokalität beeinflussen und prägen. Die Tuileriengärten waren in der Theorie öffentlich zugänglich, sie waren also ein Ort, der im Grunde der Masse gehörte. Da sie jedoch zeitgleich als Schlosspark dienten, gab es hier durch die doppelte Widmung des Ortes, wenn auch nicht im direkten Sinne, die Möglichkeit zur Kommunikation zwischen der Masse und der Elite. Auf der anderen Seite des Schlosses befand sich ebenfalls ein Semiotikkomplex des Volkes – nämlich ein ganzes Stadtviertel.
Das Volk sah den König also und konnte theoretisch über jenen verfügen. Der ständige Wechsel der Herrschaft über die Orte ist eben eines der dominanten Charakteristika, das die Königsachse ausmacht und sich in der Zeit der Revolution geradezu überschlägt.
Als der Hof nach Versailles abzieht, ist der König im Grunde nur mehr über seine Architektur erkennbar, die er zurücklässt. Sehen bedeutet Macht. Gesehenwerden den Verlust Selbiger. Zwar residiert der König seine Untertanen nun aus rund dreißig Kilometern Entfernung, was bedeutet, dass zum Aspekt der politisch intendierten psychologischen Distanz des Status noch jener der optisch wahrnehmbaren des Ortes hinzukommt. Allerdings täuscht der Monarch mittels repräsentativer Bauten wie des Invalidendoms immer wieder die Pseudopräsenz des wachenden Auges über der Stadt vor.
Dieses Spiel mit der Macht, mit dem wachenden Sehen, funktioniert zunächst auch tadellos, trotz der beginnenden Finanzkrise unter dem Sonnenkönig. Selbst sein Nachfolger kann den Mythos eines für das Volk unsichtbaren Versailles aufrechterhalten und des Weiteren hart gegen die Parlements vorgehen. Obschon eine kleine, wenn auch elitäre Gruppe aus Sicht des absoluten Monarchen zu bekämpfen zu sein scheint, so ist das Volk ein ungleich größerer Gegner – vor allem, wenn es hungert.
1789 stand es ja bekanntlich schlecht um den König, denn er sah sich sowohl mit der Kritik der steuerbelasteten Oberschicht, als auch mit der wachsenden Unzufriedenheit des von der wirtschaftlichen Misere betroffenen Volkes konfrontiert. Viel mehr die Tradition des Königtums, als der Status seiner eigentlichen Person schützte ihn, denn diese war bereits äußerst suspekt geworden. Unter diesem Blickwinkel erscheint es als logisch, dass der Regent wieder sichtbar gemacht werden musste. Mit dem Marsch der Marktweiber nach Versailles erlangte das Volk die Fähigkeit des Wachens über den Monarchen schließlich zurück.
Insofern wurde die Distanz, die anfangs ein äußerst dienliches Instrument des Monarchen war, um über das Volk zu herrschen, ab 1789, beziehungsweise auch schon vor den Jahren des Bastillesturms, zu seinem vielleicht größten Problem. Zum Einen hatte er bereits das Misstrauen des Pariser Volkes provoziert und zum Anderen wurde die nun mehr denn je offensichtliche Distanz zum eindeutigsten Merkmal seiner Schwäche, denn der Abstand zur Masse war auf einmal ein Zeichen der Angst geworden.

Diesbezüglich kann der Marsch der Marktweiber womöglich gar als der eigentliche Beginn der aktiven Revolution angesehen werden. Der Bastillesturm war zwar der erste große Gewaltakt, allerdings richtete sich dieser gegen ein Gebäude, das nur symbolisch für die alte Ordnung stand. Doch als das Volk in Versailles stand, brauchte es keine Symbolik mehr, es hatte den Körper des Verantwortlichen unmittelbar vor sich.
Seit Louis XIV. hatte es, abgesehen von den Jahren 1715-1722, nicht mehr über den Regenten wachen können, keinen Einfluss, keine Macht, vor allem aber wenig Vertrauen gehabt. Doch mit den Ereignissen des 5. beziehungsweise 6. Oktobers wurde dieser Spieß quasi umgedreht, der König war tout à coup wieder im Blickfeld seiner Untertanen und dies nicht inmitten des von Orten der Bürger umgebenen Louvre, sondern im bis dato dem König gewidmeten, und dem für die Masse nahezu transzendent- utopischen Versailles.
Diese Komponente des Gesehenwerdens erscheint mir deshalb so wichtig, da die Sichtbarkeit des Königs tatsächlich ein großes Ziel der beginnenden Revolution war. Bereits in Versailles hatte sich die famille royale am Balkon zeigen müssen und im Tuilerienschloss wurde dieses Procedere fast schon zur Gewohnheit. Hier beginnt auch die abwertende Normalisierung des einst nahezu heiligen Körpers des Königs. Was man sehen kann, ist meist real und was real ist, verliert an Idealismus. Insofern handelt es sich bei diesen Zurschaustellungen um Vorstufen zur späteren Entkörperung des Monarchen.
Mit dem Plan der königlichen Familie, auf Grund der näher rückenden Nationalgardisten zu fliehen, wurde außerdem die Angst der bis dato Unantastbaren offensichtlich, währenddessen das Selbstbewusstsein der Aufständischen kontinuierlich im Aufstieg begriffen war.
Die Besonderheit des Marsches nach Versailles ergibt sich jedoch aus der Trägergruppe des Zuges, nämlich den Frauen. Noch im 19.Jahrhundert definiert beispielsweise Manet in seinem Werk „Le déjeuner sur l’herbe“ die Frau als ein beobachtetes Objekt. Darüber hinaus erscheint sie nackt, was wiederum auf die Naturverbundenheit schließen lässt. Die angezogenen Männer auf dem Bild verkörpern hingegen die beobachtenden Partizipanten der Szene. Diese Darstellungsweisen sind jedoch schon wesentlich früher im Bereich der französischen Kunst aufzufinden. Bei meinem vorgestrigen Streifzug durch das Museum des Louvre habe ich, fokussiert auf die den Männern beziehungsweise Frauen zugeordneten Eigenschaften, den Skulpturen französischer Künstler des 18. und 17.Jahrhunderts besondere Aufmerksamkeit geschenkt.
Die Frau ist hierbei fast ausschließlich von Passivität gekennzeichnet, der Mann von Aktivität. Die Figur der Flore etwa wirkt unschuldig sowie unaktiv und blickt zudem meist auf den Boden. Sie kann vom Betrachter also im Prinzip unbedacht beobachtet werden. Des Weiteren ist meist nur eine Brust der Figur bedeckt, was wiederum die Rolle der Nährenden, oder eben der Mutter akzentuiert, die bereits von den Aufklärern vehement unterstrichen worden ist. Dem hingegen erscheinen die Männer meist muskulös, aktiv und mit starrem, nach vorne gerichtetem Blick.

Insofern kann man sagen, dass die Frauen mit diesem Zug für eine kurze Zeit sämtliche ihnen zugeschriebenen Eigenschaften hinter sich ließen um eine neue, partizipierende Rolle einzunehmen. Sie wurden allein durch den Akt des Marsches, der bis dato eine eher männlich- militärische Angelegenheit gewesen war, aktiv wie nie zuvor. Vor allem aber waren sie die Ersten der Rebellion, die den König direkt erblickten, die als Erste die Macht des Sehens ergriffen und nicht länger auf den Fußboden starrten.

Doch wie groß war das Selbstvertrauen dieser Frauen an jenen Oktobertagen tatsächlich? Zunächst muss gesagt werden, dass sich der Zug zwar zu einem Großteil aus Marktweibern zusammensetzte, dass an seiner Spitze mit Maillard jedoch ein von den Frauen vor dem Rathaus ausgewählter Mann stand. Auch der zweite, zahlenmäßig überlegene Zug der Nationalgardisten könnte nahezu so verstanden werden, dass man dieses wichtige Ereignis in Vorahnung eines Wendepunktes der aus der Revolte eine Revolution hätte machen können, nicht den Frauen überlassen wollte. Traute man es ihnen nicht zu, dass sie sich in Versailles vor dem König ordentlich positionieren können? Oder hatte man einfach die Intention, sie mit Waffengewalt zu unterstützen?
Tatsache ist, dass der gesamten Aktion zunächst keine größere Planung zugrunde lag, denn kaum eine der Partizipanten hatte daran gedacht, sich mit größerem Proviant einzudecken. Der Zug war also von Spontaneität geprägt, ja nicht einmal die Zwangsrückkehr des Königs war vor dem Abmarsch als eindeutiges Ziel definiert worden. Der Zusammenhalt der Gruppe ergab sich weniger aus gemeinsamen Absichten, als aus ihrer Zusammensetzung. Schließlich nahmen Frauen aus verschiedensten sozialen Schichten an dem Aufstand teil: Arbeiterinnen des Vorortes St.Antoine und Frauen der Pariser Halles genauso wie Frauen aus dem bürgerlichen Milieu. Der gesellschaftliche Status schien also gebrochen, das einheitliche Geschlecht stärkte den Gruppenzusammenhalt. Jede Dame musste den stundenlangen Marsch in Kauf nehmen und wurde vom Regen durchnässt.
Kein Konzept, aber eine temporäre Beseitigung der gesellschaftlichen Statusunterschiede. Hätte dieser leicht bewaffnete Zug das Potential gehabt, den König zur Rückkehr in die Mitte des Volkes zu zwingen? Wie stand es überhaupt mit der Relation von Weiblichkeit und Gewalt zu Beginn der Revolution? Die Frau wurde vor 1789 als nährende Mutter betrachtet, als der zeugende Teil der Bevölkerung und diese Eigenschaft sollte ihr mit der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht mit noch höherer Betonung zugeschrieben werden. Dieser Widerspruch zwischen Zeugung und Zerstörung sollte die Darstellung der Frau in der revolutionären und sogar noch in der nachrevolutionären Zeit prägen. Eine Marianne steht einer Marseillaise gegenüber. Trotz allem erscheint mir der Marsch der Marktweiber vielmehr als eine große Ausnahme. Mit dieser plötzlichen Offenbarung weiblicher Aggressivität hatten wohl auch die Zeitzeugen nicht gerechnet – weder die Männer noch die Frauen.
Natürlich hielten auch Frauen spätestens nach der Verkündigung der „antipatriotischen“ Geschehnisse in Versailles unter angeblicher Anwesenheit des Königs vermehrt aggressive Reden im Palais Royal oder an anderen revolutionären Brennpunkten. Doch Worte sind keine materiellen Waffen. Ab dem 3.Oktober stieg die Spannung in der Hauptstadt und somit auch die Option auf eine Art gewaltsamen Präventivschlag gegen den König. Bereits mit dem Bastillesturm war die Forderung aufgekommen, den Monarchen in die Hauptstadt zurückzuholen, doch erst die Zuspitzungen während des Oktobers und vor allem das Phänomen der Masse verwirklichten diese Idee.
Dass die Marktweiber tatsächlich zu aktiver Gewaltanwendung fähig waren, zeigen, so glaube ich, vielmehr die Ereignisse in Paris und jene während des Marsches, als die Geschehnisse in Versailles. Der Zeitzeugenbericht einer gewissen Madame Chéret erzählt von der Wut der Dames, als ihnen die Auslieferung von Waffen verweigert wurde und davon, dass man vorhatte, die Verantwortlichen für die Ablehnung zum nächsten Galgen zu bringen. Ihre Überlieferung enthält auch Berichte über Ausschreitungen gegen Bäcker und erzwungener Partizipation diverser Frauen während des Marsches. Am Point-du-Jour soll sich der Zug sogar geordnet aufgestellt haben, als ob man militärische Eigenschaften zum Vorschein bringen wollte.
Als man jedoch in Versailles ankommt, scheint sich diese Euphorie und die prinzipielle Zuneigung zur Gewaltanwendung nach und nach zu verlieren. Natürlich bedarf es eines gewissen Selbstbewusstseins, welches innerhalb der Masse ermöglicht wird, um in die Stadt des Königs zu marschieren. Jedoch standen Aufständische bereits am 2.Mai 1775 wenn auch nicht direkt vor dem Schloss, so doch vor dem überdachten Mehlmarkt der Residenzstadt. Die Guerre des Farines während des ersten Regierungsjahres Louis XVI. wurde letztendlich durch massiven Einsatz der Ordnungsorgane seitens der Obrigkeit beendet. Niemand konnte 1789 versprechen, dass der König diesmal nicht zu gewaltsamen Mitteln greifen würde.
Genau hier kommt, so glaube ich, die Komponente der Skepsis dieses ersten Zuges ins Spiel. Die Struktur und Ordnung dieser weiblichen Masse verschwand in Versailles zunehmend, da man nun keinen Plan mehr hatte. Dies führte natürlich zu der Frage, wer nun die Führung übernehmen und das weitere Vorgehen bestimmen sollte. Ausgerechnet ein Mann, nämlich bereits erwähnter Maillard wurde als Sprecher der kleinen Abteilung ausgewählt, die zum König zugelassen wurde. Man muss also trotz allem vermutlich von einem eher beschränkten Selbstbewusstsein der Akteurinnen ausgehen, nahezu so, als ob man sich selbst mit dieser spontanen Tat überrascht hatte. Vielleicht dachte man auch daran, dass einer Frau nicht der gleiche Respekt entgegen gebracht worden wäre. Zudem der Aspekt der Unsicherheit, der dazu führte, dass weite Teile der Gruppierung in die Passivität verfielen. Niemand hatte eine gezielte Ahnung, wie die oberste Macht reagieren würde und schließlich war der König noch immer der König.
Madame Chéret erzählt eine andere Geschichte. Charakterstark, führend, ja sogar heldenhaft seien sie aufgetreten, die Frauen. Es fallen starke Ausdrücke wie „unsere guten Freundinnen“, die „gebürtigen Französinnen“ oder beispielsweise „unsere Bürgerinnen“. Vor allem aber berichtet sie von einer enormen Zielstrebigkeit: „Trotz der Furcht, die unsere guten Freundinnen unter den Hosenmätzen gesät hatten - mehrere verließen gar die Versammlung - glaubten die ehrenhaften Mitglieder der Nationalversammlung zu erkennen, dass sie absolut entschlossen seien, solange nicht auseinanderzugehen, wie noch etwas endgültig festgelegt werden müsse.“ Im Sitzungssaal der Nationalversammlung ging es hauptsächlich darum, geregelte Getreidepreise festzulegen.
Dieser Glorifizierung steht hingegen der Bericht des Schweizer Besuchers der Nationalversammlung DuMonts entgegen. Er betont die Strukturlosigkeit der Menge und meint zur Forderung der Marktweiber nach Mirabeau nur: „Aber Mirabeau war nicht der Mann, der bei solchen Gelegenheiten seine Kräfte verschwendete, und seine Beliebtheit beim Volk war, wie er sagte, nicht Beliebtheit beim Pöbel.“ Auf der anderen Seite berichtet er auch von einem Fischweib, das in der Nationalversammlung anfing zu kommandieren, wobei Mirabeau zuvor einen Teil der Meute dazu gebracht hatte, den Sitzungssaal wieder zu verlassen. Waren es also einzelne radikale Frauen oder war es eine in sich geschlossene aktive und aufständische Masse, die diese spontane Bewegung führte?
Für die erste Vermutung sprechen meiner Meinung nach zwei grundlegende Argumente: Zunächst befand sich die Revolution zum Zeitpunkt der Oktobergeschehnisse noch in ihren Fußstapfen, was bedeutet, dass sich die Radikalität und der ausartende Aktionismus, auf den man später während der Terreur trifft, noch in Grenzen hielten. Jene, die die Einrichtung des Königtums, wenn auch mit verschobenen Parametern, nach wie vor befürworteten, waren deutlich in der Überzahl und die Rückführung des Königs war zwar eine fixe Idee des Zuges, jedoch zeigte man bei der Ausführung selbiger wenig Initiative. Auch die Absicht, die man mit der Überführung der königlichen Familie verfolgte war zunächst weniger die totale Observation des Regenten, als vielmehr die Sicherstellung der Brotlieferungen in die Stadt – ein weiterer Aspekt geringer Radikalität. Viele Frauen waren, ganz im Gegensatz zum 10.August 1792 also eher passive Partizipanten, als aktive Mitgestalter.
Zudem zieht ein beachtlicher Teil der Menge nach der mündlichen Zusicherung der Brotlieferungen und des Abzugs des Flandernregiments seitens des Königs wieder ab, gerade so, als hätte man nie mehr gewollt. Selbst Jene, die in Versailles bleiben, werden zwar wütender, da sie kein schriftliches Dokument vorgelegt bekommen, fordern aber dennoch keine ausdrückliche Rückkehr des Königs nach Paris, geschweige denn, dass sie aktiv mit Waffengewalt drohen, was auch damit zusammenhängen muss, dass die Menge nur leicht bewaffnet war, während dem König nach wie vor Leibgardisten höherer Waffengattungen zur Seite standen. Die Masse an sich wirkt also ein wenig ratlos, unentschlossen und wartet, wie der Monarch auf der anderen Seite, zunächst ab. Als er sich gegen 22 Uhr schließlich doch dazu entscheidet, die Annahme der Augustdekrete und der Menschenrechtserklärung zuzusichern, verfällt die Menge vor dem Schloss gänzlich in die Passivität.
Somit kann man resümieren, dass es, solange der Großteil der Menge aus Frauen bestand, zu keinen gröberen gewaltsamen Zwischenfällen in Versailles kam. Insofern stellte der Marsch der Marktweiber nach Versailles gar keine so große Novität dar. Solange die Frauen unter sich waren, waren sie im Prinzip nicht zerstörerischer, als bei früheren Brotaufständen. Diese Form der weiblichen Aktivität im öffentlichen Raum, die in Versailles zum Vorschein kam, war, mit der wesentlichen Ausnahme, dass nun auch in großem Maße politische Forderungen ins Spiel kamen, den Zeitgenossen im Grunde bereits bekannt.
Zwei wesentliche Argumente erklären – anders als 1775 - die Vermeidung von Gewalt seitens des Monarchen gegen die Aufständischen: Einerseits war die Masse dieses ersten Zuges tatsächlich nicht unbeachtlich, andererseits bestand ebenjene aus Frauen. Vor allem aber, und dies erscheint mir als ein durchaus überlegenswerter Gedanke, war ein hartes Durchgreifen auf Grund der Passivität der Menge zunächst gar nicht nötig. Im Gegenteil – er hätte damit die Aktivität der sich in Versailles befindlichen Meute riskiert.
Viel mehr Sorge machte Louis XVI. die anrückende Nationalgarde aus Paris. Erst als er über diesen zweiten Zug in Kenntnis gesetzt wurde, spielte er mit dem Gedanken der Flucht nach Rambouillet. Man könnte sich also die Frage stellen, ob der König ohne den Druck von 15.-30.000 wesentlich besser bewaffneten Nationalgardisten nach Paris zurückgekehrt wäre. Erst mit der Ankunft der Soldaten hatten die Aufständischen – nun aus Frauen und Männern zusammengesetzt – ein konkretes Machtmittel, mit dem sie den Monarchen in Bedrängnis bringen konnten. Zudem kam es erst am 6.Oktober, unter Anwesenheit der Nationalgardisten, zu gewalttätigen Konflikten zwischen den Rebellen und der Leibgarde Louis XVI., im Zuge derer die ersten Opfer zu beklagen waren. Nun war es für den Regenten zu spät, in die Offensive zu gehen, denn nun war die Masse aktiv geworden und darüber hinaus übermächtig. Es blieb ihm nur mehr die Abreise ins Tuilerienschloss. Der Mythos Versailles war vorerst gefallen.

Dass der Aufstand trotz allem ein sehr riskantes Unterfangen war und somit sehr wohl für den Mut der teilnehmenden Frauen spricht, zeigen die vielen Verhaftungen und Zeugenvernehmungen nach den Ereignissen des 5. und 6. Oktobers – wenngleich es auch schon bei früheren Brotaufständen zu ähnlichen Gegenmaßnahmen kam. Dies bedeutet, dass der Status des Königs rechtlich-ideell nach wie vor Bestand hatte. Interessanter Weise wurde aber nur eine einzige Person des Hochverrats angeklagt und diese war eine Frau. Als wollte man ein Exempel statuieren, einen Sündenbock finden und klar und deutlich machen, dass das weibliche Geschlecht ihre Rolle nicht im politischen Aufstand zu suchen hätte. Louise Reine Audu musste diesen Typus der getadelten Frau verkörpern, bis sie von der späteren allgemeinen Amnestie profitierte.
Nach all diesen Geschehnissen scheint es schwierig zu verstehen, wie die neuen Eigenschaften der Frau mit der antiquiert-chauvinistischen Auffassung dieses Geschlechts seitens der Revolutionsführer harmonieren konnten. Diese vertraten ja nach wie vor die grundlegende Meinung, die Frau sei von nährender Funktion geprägt und müsse vorwiegend eine gute Mutter sein – meist verkörpert durch die Idealfigur der Marianne. Allerdings war die neue Rolle der Frau gar nicht so sehr zum Vorschein gekommen, ja man konnte sie sogar geschickt umgehen. Denn wenn man es darauf anlegte, hätte man es so auffassen können, dass der Marsch des 5.Oktobers ganz im Zeichen der Frau als Ernährerin der Familie stand, die schlicht und einfach nur Brot holen wollte. Das militärische Potential und die Verwirklichung politischer Forderungen konnten nach wie vor als Aufgaben der Männer angesehen werden.
Letztendlich liegt vielleicht im fehlenden Gewaltpotential dieses ersten Zuges eine der Ursachen für das Ausbleiben eines politischen Siegeszuges der Frauen während der Revolution. Sie mochte nun Bürgerin oder Französin genannt werden, doch die alten Bilder konnten nicht wirklich zerstört werden. So wurden Frauenclubs später wieder aufgelöst und emanzipatorische Forderungen großteils einfach überhört.

Am 4.Oktober 1789 hatte Marat das Volk im Ami du Peuple noch zu den Waffen aufgerufen. Er sprach von Verschwörung, von antipatriotischen Orgien in Versailles sowie von großer Unruhe in Paris. Der Zeitungsbericht offenbart also, dass man mit einem baldigen Konflikt hatte rechnen können, allerdings war logischerweise nicht die Rede von einem direkten Stoß gegen den König.
Gezielt an Frauen richtete er sich aber keineswegs, er regte such nicht zu einem Brotaufstand an. Dies zeigt einerseits, dass es sich wirklich um eine höchst spontane Erhebung handelte und dass darüber hinaus wohl niemand damit gerechnet hatte, dass Frauen zu so einer Tat fähig wären.
Am 8.Oktober, nur 27 Tage nach der ersten Ausgabe des Blattes, schrieb Marat weiters, dass die Revolutionstruppen nun „wieder mit dem Schutz unseres guten Königs beauftragt“ seien. Über die Rolle der Frauen, ihre Anteilnahme und den Marsch nach Versailles verliert er kein Wort. Für ihn sind sie alle nur Mitbürger und insofern stellt er dieses Ereignis keineswegs als eines dar, dass der modernen Wissenschaft zufolge vorwiegend von Frauen getragen wurde.

Spätestens seit Napoléon I. wurde im Prinzip alles versucht, um aus den Champs-Élysées einen den Männern gewidmeten Ort zu machen, was dazu führte, dass die kurze weibliche Umwidmung des 5.Oktobers zunichte gemacht wurde. Noch heute ist die Avenue, nicht zuletzt aufgrund der alljährlichen Militärparade ein Ort der Männlichkeit – wenngleich man darüber streiten könnte, welche Genderbesetzung eine Shoppingmeile letztendlich besitzt.

Donnerstag, 19. Juni 2008

Bisheriges Résumé

Meine bisherigen Blogeinträge haben mir dabei geholfen, mein Thema, wenn auch mehr räumlich, als zeitlich, einzugrenzen. Ich werde mich also auch weiterhin auf die sogenannte Königsachse konzentrieren, wenngleich mich das Marais, wie andere Lokalitäten der Stadt, ebenfalls außerordentlich interessiert hätte. Jedoch bin ich mir bewusst, dass mich Paris ohnehin noch länger beschäftigen wird; folglich kann ich beruhigten Gewissens den anfänglichen Druck des Ausschließungsprozesses, der mich noch in den ersten Einträgen plagte, beiseite lassen.
Die Frage, inwieweit Paris nun als Ganzes oder aber als semiotisches Puzzle betrachtet werden kann oder eben betrachtet wurde, möchte ich dennoch nicht vergessen. Ihr soll jedoch stets anhand jenes Bereiches der Stadt nachgegangen werden, der sich von den Kolonnaden des Louvre bis hin zum Arc de Triomphe oder, die moderne Verlängerung dieser Achse miteinbezogen, zum Ensemble von La Défense erstreckt.
Interessanter Weise hat sich die Themenwahl durch eine recht simple Vorgehensweise eher zufällig ergeben. Ich hatte im Zuge der Exkursionsvorbereitungen gerade bezüglich Louvre und Tuileriengärten recherchiert. Anschließend beschloss ich, mich einem historischen Stadtspaziergang hinzugeben, der mich zur naheliegenden Place de la Concorde und anschließend zu den Champs Élysées führte. Meine „Erlebnisse“ habe ich alsdann im Blog schriftlich verfasst. Zeitlich und thematisch lag der Schwerpunkt eher auf der französischen Revolution, wobei ich in puncto Champs Élysées noch gerne in die kapitalistische Kultur des 19. Jahrhunderts schnuppern würde.
Auch La Défense gibt es noch zu verstehen. Ist sie eine ideologische Weiterführung vergangener königlicher Größe? Oder doch nur ein Mittel zur Selbstdarstellung beziehungsweise zur Statuserhöhung der Pariser Bevölkerung oder der Stadt an sich? Jedenfalls ist sie heute nicht mehr aus dem Ensemble der (ehemaligen) Königsachse wegzudenken, wenngleich sie sich wohl aufgrund ihrer architektonischen Modernität auch noch nicht ganz eingefügt hat. Als interessant in diesem Zusammenhang scheint auch die Höhe der einzelnen „Triumphbögen“ zu sein, die jeweils am Ende der imposanten Geraden positioniert sind. Sie scheinen konträr zum schwindenden weltpolitischen Machteinfluss der Stadt zu wachsen.
Im Prinzip habe ich mich anhand jener Achse mit der Problematik der Eigen- und Fremdempfindung, mit der zeitlich bedingten Wahrnehmungsverschiebung gezielter Orte und mit der Divergenz von Interpretation und historischer „Wahrheit“ auseinandergesetzt. Dabei war es mir stets ein Anliegen zu verstehen, wie Ort und Mensch zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort interagierten; ich habe also versucht die Perspektive eines Zeitgenossen einzunehmen, bin dabei aber – leider unvermeidlich - immer wieder in das temporäre Jetzt gesprungen.
Dabei erschien es mir als überaus wichtig, die Transformation des Ortes oder eben des Raumes zu ergründen, da diese, wie es sich in aller Deutlichkeit herausstellen sollte, ungeheuren Einfluss auf die Gedanken, Taten und Gesinnungen der Menschen sämtlicher Stände ausübten.
Insofern habe ich, so glaube ich, eine recht gute Basis für jenes gelegt, dem ich mich in Paris noch genauer und detaillierter widmen werde – ich habe schlicht und einfach begonnen, besagte Loci zu analysieren beziehungsweise näher kennenzulernen und dabei versucht, ihre zeitschichtigen Charakteristika unterstrichen.

Genau hier möchte ich auch vor Ort oder eben im DHI ansetzen; mein Vorhaben ist es, noch tiefer in diese Materie mit den ihr zugrunde liegenden und weiter oben bereits angeschnittenen Fragestellungen einzudringen.
Dies will ich durch nähere Untersuchung etwaiger Quellen und der direkten Beobachtung vor Ort erreichen. Auch habe ich die Absicht, die Veränderung der Räume und Gebäude anhand der bildlichen Interpretation alter Stiche und Karten zu verstehen und zu begreifen. Dies sind Schritte, die mir dabei helfen sollen, in die Wahrnehmungen von Zeitgenossen einzudringen.
Dabei möchte ich auch feststellen, inwieweit denn nun wirklich eine Bedeutungsverschiebung von einer königlichen hin zu einer bürgerlichen Achse stattgefunden hat, beziehungsweise welche spezifischen Impulse ebenjene herbeiführten. Es wird logischerweise auch von Interesse sein, wie sich dieses gigantische longitudinale Ensemble heute präsentiert, welche Strukturen erhalten und noch deutbar geblieben sind und wo völlige Umgestaltungen stattgefunden haben.
Ich beabsichtige also gedanklich in eine andere Zeit und somit im Prinzip auch in einen anderen Ort eintauchen und spezielle Transformationen mit den eigenen Sinnen zu erleben. Dies ist es auch, was ich den anderen Seminarteilnehmern vorstellen und näher bringen will, wenngleich ich mir bewusst bin, dass hierfür extrem viel Vorstellungskraft und Fantasie von Nöten sein wird.

Es wäre verfrüht zu sagen, welches Endziel ich im Rahmen dieser Lehrveranstaltung anstreben möchte. Ich verfolge eine zunehmende Vertiefung in die Thematik; möchte Wissen und Erkenntnis anhäufen, um diese besser verstehen zu können. Diese Intention werde ich noch speziell während der Forschungswoche in Paris verfolgen. Wie Sie schon sagten ist der Weg das Ziel und dieser wird bestimmt noch sehr sehr spannend.

Sonntag, 8. Juni 2008

Wahrnehmungsperspektiven der Champs-Élysées – Die Problematik der gerechten Interpretation

Mein historischer Spaziergang durch Paris führte mich in den letzten Wochen vorwiegend auf die Champs Élysées – eine signifikante sich axial erstreckende Örtlichkeit, deren politische beziehungsweise soziokulturell- semiotische Bedeutung oder eben Symbolik im Laufe der Geschichte dieser Weltstadt gleich mehrmals einer deutlichen Transformation unterlag.
In der ursprünglich auf Grund der Versumpfung höchst unwegsamen Gegend, legte Maria de Medici fernab der heutigen Prachtstraße in Anlehnung an die glanzvollen corsi der italienischen Städte den Cours- la- Reine an. Dieser verlief – im Prinzip genau wie die Grande Galerie des Louvre - entlang der Seine, was wiederum ein weiteres Exempel für die städtebauliche Orientierung entlang des Flusses darstellt.
Weit entfernt vom heutigen Auftreten der Champs Élysées, hatte jener Cours doch ein in gewisser Hinsicht ähnliches Merkmal: Rasch wurde die Achse Marias zu einer Art Promenade der Reichen. Es wurde scheinbar zur Mode, sich im öffentlichen Raum zu präsentieren. Das 17.Jahrhundert wird von der barocken Idealvorstellung des Daseins geprägt. Das Leben wird zum Schauspiel, die (vorwiegend städtischen) Lokalitäten zur großen Bühne des Seins. Die vorhergehenden Jahrhunderte brachten zudem via Renaissance und Humanismus einen wesentlich offeneren Umgang mit dem menschlichen Körper mit sich, was die Zurschaustellung des – selbstverständlich reichen – Ichs zur Folge hatte. Wenngleich manche Straßen oder gar ganze Viertel, wie etwa diverse rues zwischen dem Louvre und dem Place du Carrousel, noch eher den Charakter einer vergessenen Welt innerhalb dieser barocken Welt des Erblühens hatten, so wurde das Leben und somit auch der Luxus der Oberschicht nach und nach doch öffentlich. Woanders als in Paris, dass schon damals vor allem aber im Laufe der nächsten Jahrzehnte und schließlich Jahrhunderte mit schnurrgeraden Prachtachsen gesäumt werden sollte, hätte man besser promenieren können? Die gerade Straße hatte und hat nach wie vor den Vorteil eines sehr hohen Sichtbarkeitspotentials und ermöglicht zudem schon von Weitem die Observation anderer Flaneure. Zudem darf nicht vergessen werden, dass die repräsentative Place de la Concorde, auf der später die üppigen Kutschen der Wohlhabenden kursieren sollten, damals noch nicht bestand.
Inwieweit dieses offensichtlich frische und im Aufschwung stehende Selbstbewusstsein, diese neue Gesinnung der reichen Pariser, die die Präsentation des Luxus vor den Augen sämtlicher Einwohner der Stadt zum Resultat hatte, Auswirkungen auf die Gedanken der Aufklärer beziehungsweise auf die Gewaltausbrüche während oder bereits vor der Grande Révolution hatten, sei dahingestellt. Diesbezüglich vertrete ich eher die Auffassung, dass die offene Veranschaulichung der ungleichen Verteilung des Wohlstands eher das revolutionäre Denken beeinflusst, als die revolutionäre Praxis. Zudem muss hinzugefügt werden, dass die Präsenz des Königs, der ja die bewusste Distanz zum Pariser Volk dem Residieren im Kern der hungrigen Meute vorzog, eher bescheiden war – ein Aspekt, der jedoch die Verbreitung ausufernder Gerüchte erleichterte, die das Gedankengut der breiten Masse fernab aufklärerischer Diskurse beeinflusste. Insofern bedarf es des Elends der Masse, um den Luxus und Jene, die davon profitieren, bereits als den verantwortlichen Sündenbock und nicht nur mehr als eine Begleiterscheinung der gesellschaftlichen Ordnung zu begreifen.
Erst um 1670, als Le Nôtre die Verlängerung der Achse nach (Nord-) Westen in Angriff nahm, erhielten die „Gefilde der Seeligen“ eine deutlich königliche Prägung. Nicht einmal bis zum Hügel von Chaillot reichend, war diese Gerade als Verbindung zwischen dem Palais du Louvre und dem Château de Versailles gedacht – ein, nicht zuletzt auf Grund der bestehenden Finanzengpässe, recht waghalsiges Projekt. So konnte diese Straße von den Zeitgenossen höchstens als ein Symbol gedeutet und verstanden werden, denn tatsächlich war die Pracht der Achse schon nach wenigen Gehminuten zu Ende. Hier kommt also reine Semiotik ins Spiel: Der Grand Cours Le Nôtres als der Sieg des Menschen (sprich des einen Menschen, nämlich des Königs) über die Sauvagerie de la nature oder eben als die Simulierung einer scheinbar bescheidenen Entfernung zwischen Versailles und Paris, die die Nähe des Königs zum Volk zum Ausdruck bringen sollte. Zugleich kann dieser erste Vorgänger der heutigen Champs Èlysées aber auch als ein deutliches Zeichen der Abstoßung seitens der Herrschenden verstanden werden, denn obwohl er im Vergleich zu den heutigen Ausmaßen mancher Pariser Stadtschneisen eher bescheiden wirkt, so musste er doch auf die Zeitgenossen einen recht mächtigen Eindruck gemacht haben, deren Paris noch ein wesentlich klein- strukturierteres Antlitz besaß.
Darüber hinaus hinterließ die Achse gerade auf Grund des Mankos an jeglichen Hindernissen – schließlich fand man dort weder Häuser oder Autos, noch den Arc de Triomphe, welcher damals wahrscheinlich als noch unproportionaler und gegebenenfalls unpassender empfunden worden wäre, als zur Zeit seiner Errichtung – vermutlich eine sich an die Unendlichkeit nähernde Impression, was wiederum auf eine deutliche und durch städtebauliche Maßnahmen vom König eventuell intendierte Distanz, sei sie nun real oder symbolisch, zwischen dem Hof und den Bürgern hinweisen würde. Jedenfalls kann ich unter dieser semiotischen Expression, welche jener Prachtstraße zu Grunde liegt (und die auch in der Gegenwart nach wie vor, wenn auch mit verschobenen Bedeutungen, existiert) den 5.Oktober des Jahres 1789 kaum als ein Produkt des Zufalls betrachten. Fernab der historischen Bedeutung des Zuges der Pariser Marktweiber nach Versailles, der ja im Prinzip nach dem Bastillesturm aus der zunächst scheinbaren Revolte eine endgültige und unwiderrufliche Revolution machte, die schließlich alle Teile der Bevölkerung – nun auch eindeutig die Frauen inkludierend – erfassen sollte, hat dieser Marsch der Masse auch eine höchst symbolische Signifikanz. In wie weit die Rolle der Frauen im Zuge dieses Ereignisses beziehungsweise im weiteren Verlauf der Revolution bereits damals anerkannt wurde, wäre interessant zu analysieren. Dass die Konjunktur des weiblichen Geschlechtes einerseits in intellektueller, andererseits aber auch in puncto politischer Emanzipation, für die prärevolutionäre und vom Chauvinismus beherrschte Gesellschaftsordnung eine Neuigkeit darstellte, innerhalb derer aus Sicht der Männer große Gefahren schlummerten, erscheint als offensichtlich. Auch die großen Aufklärer vermochten daran nichts zu ändern – die Terreur und in ebenso hohem Maße Napoléon beschnitten die zum Teil in der Anfangsphase der Bewegung erlangten Rechte in einem Maße, dass partiell gar die einseitige Statusvergabe während des Ancien Régime übertraf. Insofern muss der aktive politische Marsch der Frauen nach Versailles eine erstaunliche Novität dargestellt haben.
Zudem kam der Zug, so glaube ich, einer Entweihung gleich. Ab der zweiten Hälfte des 18.Jahrhunderts hatte sich die einstige Ulmenallee, die höchstens während des alljährlichen Osterspaziergangs zum Bois de Boulogne das Potential besaß, die Massen anzuziehen, zu einer, wenn auch spärlich besiedelten, Wohngegend für Wohlhabende etabliert. Luxuriöse Häuser sprossen aus den Gärten des Faubourg St.Honoré. Ganz einer gängigen Theorie der Stadtentwicklung zur Folge, laut derer sich in die Gegenden der Reichen auch bald Jene unterer Bevölkerungsschichten verirren, folgten rasch die ersten (Straßen-) Händler und auch das Gewerbe der Prostitution dürfte sich in Blühte befunden haben. Trotz allem war das Gebiet rund um die Champs Élysées nicht mehr als eine Art Vorstadtwald, welcher sich, gekennzeichnet durch vereinzelte Bebauung, entlang einer zentralen Straße erstreckte.
Wenngleich die Gefilde der Seeligen Ende des 18.Jahrhunderts kein besonders bedeutender Ort der Stadt gewesen sein mögen, so waren sie doch stets ein Instrument, welches dem embellissement von Paris dienen sollte, welches weitgehend dem Wunsche des Königs unterlag. Bereits 1724 wurde die Straße bis zum Chaillothügel verlängert und in den 1770ern wurde ebenjener um ganze 5 Meter vergeblich abgetragen, um im Rahmen der künstlerischen Perfektion und des damit im Kontext stehenden Triumphes über die Natur das Ziel einer erhebungslosen Gerade zu erreichen.
All diese Transformationen hatten die Pariser mitbekommen; sie wussten demnach, dass dies die Achse des Königs und zugleich der Weg nach Versailles war. Genau hier möchte ich zum Aspekt der Entweihung zurückkommen: Der Marsch auf dem Boden der versinnbildlichten Fehler- und Makellosigkeit des Herrschers, gab der Straße eine völlig neue Bedeutung. Jene Eigenschaften der Vollkommenheit wie der Kontrolle waren hier zum ersten Mal in die Hände der Massen, des Volkes, vor allem aber in jene der aufsteigenden Republik gefallen. Die Unantastbarkeit, die unendliche Distanz nach Versailles war gefallen. Somit hatte das Königtum paradoxerweise ausgerechnet jene Achse errichtet, die dem Volk über einhundert Jahre später genau den Weg zu seiner Vernichtung offenbarte.
Obschon die verschiedensten Orte einer jeden Stadt einer ständigen Bedeutungsänderung unterworfen sind, so besitzt die Französische Revolution gerade das Charakteristikum, dass die großen Pariser Lokalitäten des Ancien Régime zu den großen Plätzen, Gebäuden oder eben Straßen der jungen Republik wurden, wobei die Umwidmungen oder Entweihungen in sehr offensichtlicher Art und Weise über jeweilige Autoritätsverschiebungen innerhalb des Machtkampfes Auskunft geben. So hatten die Marktweiber beispielsweise noch die Place Louis XV. in ihrem Rücken, als sie sich nach Versailles begaben.
Mir ist bewusst, dass ich mit den oben angeführten Gedanken einer gefährlichen Falle ausgeliefert habe, denn ich habe die Champs Élysées aus einer distanzierten und an einem historischen Maßstab orientierten Perspektive analysiert. Jedoch – und hier kommt mein Geständnis – wollte ich eigentlich in die Gedankenwelt einer Person blicken die 1789 in jener gigantischen Maße stand. Sie hätte aller Voraussicht nach nicht einmal annähernd jene Überlegungen gehabt, die ich heute, im Jahre 2008, auf meinem Schreibtisch, umgeben von Büchern, niederschrieb. Es scheint eher unwahrscheinlich, dass besagter Person die gesamte Königssemiotik, die den Champs Élysées zugrunde liegt, bewusst war, da sie ja durch die Kraft der Masse mitgerissen wurde. Gerade die Beteiligung an den Geschehnissen während des direkten Aufstandes gegen eine Obrigkeit, lässt des Öfteren politische oder soziale Ideologien in den Hintergrund rücken und führt zur Entwickelung einer gedanklichen Intention, die eine aggressive Eigendynamik entwickelt, da sie den Zielen der Masse unterworfen ist. So erscheint es viel wahrscheinlicher, dass das Endziel dieses Marsches (sofern man gleich zu Beginn der Bewegung überhaupt eine gezielte Absicht hatte) bestimmt nicht die Entweihung königlichen Bodens, sondern vielmehr die Erlangung der Kontrolle über die Herrschenden war, was durch Zurschaustellung der Macht des Volkes und in der Folge durch die zunehmende Schikanierung der famille royale bezweckt werden sollte. An diesem Tag wurden die Unantastbarkeit und der Personenkult Louis XVI., der als Stellvertreter sämtlicher königlicher Ungerechtigkeiten der letzten Jahrhunderte herhalten musste, zerstört. Ziel waren also vielmehr die Aufsuchung, sprich das Eindringen in den privaten Bereich des Monarchen, und die Bloßstellung des Selbigen, die schließlich zur Entkörperung und somit zur Möglichkeit der Enthauptung des Sündenbockes Louis XVI. auf der Place de la Concorde führte.
Insofern muss man (wenngleich die Alphabetisierung im Aufschwung begriffen war und die revolutionären Traktate somit einer größeren Schicht zugänglich waren) ganz klar zwischen den Gedanken und Empfindungen der großen Denker der Bewegung und den Überlegungen, Vorstellungen und Intentionen des Einzelnen in der Masse unterscheiden.
Genau hier liegt jedoch das Problem: Wie viele der Partizipanten, die für die Umstrukturierung der Machtverhältnisse mit ihrem eigenen Leib kämpften, schrieben ihre Gefühle und Impressionen auf, welche durch jene Örtlichkeit an diesem oder einem beliebigen nachfolgenden oder vorhergegangenen Tag geweckt oder geformt wurden? Wie kann ich als Mensch des 21.Jahrhunderts versuchen, die kollektiv- generelle Empfindung jener Masse zu verstehen, wenn das Gros der überlieferten Schriften, die darüber informieren von Personen verfasst wurden, die gar nicht direkt am Geschehen waren, die dieses also aus einer deutlichen Distanz, sei sie örtlich oder zeitlich, miterlebt haben. Es wäre eine Anmaßung meinerseits, zu glauben, ich hätte die Gedanken jener Menschen entziffert und verstanden; meine Überlegungen kommen höchstens einer Erahnung gleich, die sich an modernen Volkserhebungen orientiert.
Im 19.Jahrhundert werden die Zeitzeugenberichte, die die Champs Élysées betreffen, nicht zuletzt aufgrund der Zunahme der Besucherströme, die sich hierher seit der Errichtung des Triumphbogens und der generellen Kommerzialisierung der Prachtstraße nach englischem Vorbild immer öfter hinbegeben, häufiger. In viel höherem Maße als auf dem Cours la Reine wird hier das Spiel der Präsentation und Observation der Flaneure zelebriert. Die Champs Élysées sind zur Bühne des erstarkten Bürgertums, einem Produkt der Revolution, geworden. Dies ist die Pariser Lokalität, die später die reine Welt der Belle Époque zur Schau stellen sollte, welche wiederum die Bohème inspirierte, die bekanntlich ein ganz anderes Viertel zu ihrem Zentrum machte. Es ist dies die Weiterführung eines alten Pariser Konfliktes mit neuen Akteuren: Auf der einen Seite steht nun das kapitalistische Bürgertum und ein, spätestens seit Haussmann, luxuriöses Paris und auf der anderen Seite haben wir das künstlerisch- intellektuelle Milieu, dessen Ideen nicht zuletzt durch das Elend weiter Teile der Bevölkerung im Rahmen der zunehmenden Industrialisierung geprägt werden.
Das Paris des 19.Jahrhundert ist also – zumindest aus heutiger Sicht – ein Paris der Idyllen und der Ideale. Inwieweit dies auch damals so empfunden wurde, sei zunächst dahingestellt, aber gerade durch den hohen Stellenwert der Kunst mussten die Zeitgenossen doch auf die eine oder andere Weise das Gefühl gehabt haben, in einer träumerischen Welt zu leben. Den Parisern des 19.Jahrhunderts war also sicherlich bewusst, dass die Luxusviertel im Westen der Stadt in direktem (ideellen, denn auch manche vermeintlich kritische Intellektuelle verirrten sich gelegentlich in die schicken Gaststätten auf der Prunkachse) Gegensatz zum Montmartre standen. Diese Spaltung der ideologischen Gesinnung innerhalb der Bevölkerung kommt kaum vergleichbar im Akt des Begräbnisses Victor Hugos zum Ausdruck, dessen Leichnam paradoxerweise für kurze Zeit unter dem Bogen des Arc de Triomphe aufbewahrt wurde, ergo einem Ort der eigentlich an das Kaiserreich Napoléons erinnerte, um ausschließlich zum Pantheon geführt zu werden.
Durch die Bedeutungsverschiebung der Straße im Zuge der kapitalistischen Schaufensterkultur sind die Champs Élysées wie das gesamte Ensemble der Königsachse zu einem semiotischen Feld der politischen Rechten geworden. Seit Napoléon, der als Erster und wie kein anderer das Potential der Achse zur Inszenierung von Massenspektakeln erkannte, welches er durch den Triumphbogen, an der Idee der Verkörperung eines neuen römischen Reiches orientiert, noch zusätzlich architektonisch akzentuierte, erhielt die Prachtstraße zudem eine zusätzliche militärische Prägung, welche durch die alljährliche Militärparade noch heute zum Ausdruck kommt.
Die politische Aussagekraft der verschiedensten Orte der Stadt scheint den Parisern des 20.Jahrhunderts durchaus bewusst gewesen zu sein, denn ohne viel Überlegung wurde der Wahlsieg Mitterands auf der Place de la Bastille gefeiert. Auf Arte lauschte ich letztens dem Interview eines Zeitzeugen der Wahl 1981, der da meinte: „Hätte Giscard gewonnen, dann würden wir jetzt die Champs- Élysées unsicher machen.“ Dies wurde dann mit dem Wahlsieg Chiracs nachgeholt. Paris ist in seiner gesamten Erscheinung also ein gigantisches Stückwerk politischer Semiotik beziehungsweise Symbolik, die gesamte Stadt unterliegt also einer mehr oder weniger offensichtlichen ideologisch-geographischen Gliederung. Wenn dies den Bewohnern des 20.Jahrhunderts bewusst war, so mussten auch die Menschen früherer Zeiten die Einteilung von Paris in politisch- definierte Lokalitäten wahrgenommen haben.
Mittels der zunehmenden Quellenüberlieferung während des 19.Jahrhunderts, die nicht zuletzt auf den florierenden Massentourismus, der durch die folgenden Weltausstellungen noch forciert wurde, zurückzuführen ist, kann man womöglich besser erkennen, wie die Zeitgenossen ihr Paris wahrgenommen haben – ein, relativ zu den vorhergehenden Jahrhunderten gesehen, wesentlicher Vorteil.
Schon 1790 schrieb der russische Schriftsteller Karamsin: „Man gelangt über eine große, weiche Wiese in die Champs-Élysées, die ihren attraktiven Namen nicht grundlos tragen – ein kleiner Wald, wie von Oreaden selbst angelegt […]“ Hier wird schon die Option einer deutlichen Differenz zwischen der Wahrnehmung eines dauerhaften Bewohners der Weltstadt und eines Besuchers beziehungsweise eines vorübergehend in Paris wohnenden Menschen offensichtlich. Der Tourist, oder eben der Fremde, vermag den bereisten Ort eher mit einer romantischen Idylle zu assoziieren und betrachtet die Stadt zudem vielmehr als ein zusammenhängendes Konstrukt, als der Einheimische, dem Paris wie ein gigantisches Schachbrett der Semiotik, vor allem aber wie ein Gefüge mehrerer Einzellokalitäten erscheinen wird oder eben in der Vergangenheit erschien.
Um das Jahr 1820 beschreibt Balzac, dessen Belletristik immer wieder eine interessante Quelle darstellt, wählte er doch die verschiedensten Pariser Orte als Schauplätze seiner Geschichten, die Champs-Élysées bereits als eine Straße des Luxus, übersät von einer Unzahl an Flaneuren und Kutschen, die in Richtung des noch unvollendeten Arc de Triomphe fahren.
Dieser Aufwertung der Avenue steht aber beispielsweise die Missgunst eines Ludwig Richters, dem die großen Spektakel entlang der gesamten Achse nur zuwider waren: „Es gab hier bei der französischen Lebhaftigkeit und Lustigkeit die wunderlichsten Szenen. Schade war es freilich um den Wein, von dem mindestens zwei Drittel verloren ging. […] Schön war das nun eben nicht anzusehen, aber es machte dem Volke großen Spaß, und diese tolle Lustigkeit ergötzte schließlich auch den Zuschauer. Auf den großen Wiesenplätzen, zur Seite des Weges, waren Tanzplätze, Karussells und sehr hohe Masten, oben mit seidenen Tüchern behangen, aufgestellt“. Es wäre zu hinterfragen, ob Richter die politische Intention des Festes (nämlich die Taufe des Herzogs von Bordeaux), welches die Stabilisierung der bourbonischen Restauration zum Zweck hatte, bewusst war. Die im Hintergrund versteckte Idee divergiert meist mit der direkten Wahrnehmung des aktiv Beteiligten, der seinen emotionalen Impressionen unterliegt.
Man könnte diese Liste der Zeitzeugen noch länger weiterführen, würde zu Proust und womöglich zu einem weiteren interessanten Zeitdokument, dem Baedeker-Reiseführer kommen, der von 1876 bis zur letzten Ausgabe 1931 ein recht widersprüchliches Bild der Prunkstraße wiedergibt – von einer gefährlichen Straße, die vor allem nachts von diversen Dieben heimgesucht wird und die einem einzigen großen Trödelmarkt gleicht, hin zu einer Straße der modernen Fortbewegungsmittel um 1900, endet die Beschreibung 1931 mit einer Betonung des kommerziellen Faktors und der Überflutung durch das Automobil.
Schließlich sollten die Champs-Élysées mittels eines neuen Trends dem Besucher, sei er einheimisch oder nicht, nochmals eine neue Möglichkeit der Interpretation und des Empfindens offerieren: Film und Kino überschwemmten ganz Paris, speziell aber die Champs-Élysées, die in nahezu jedem zweiten französischen Film als Kulisse dienten.
Von Le Nôtres Verlängerung gen Westen bis hin zu Belmondos Spaziergang über die Avenue in A bout de souffle durchlebten die Champs-Élysées einer gigantische Transformation. Jede Epoche sieht ein anderes Paris, sieht eine andere Champs-Élysées.
Ich habe in diesem Blogeintrag versucht, die Wahrnehmung und Aufnahme einer semiotischen Bedeutungsverschiebung eines bestimmten Ortes zu analysieren und zu verstehen. Die große Problematik, die sich dabei ergab, war jene, festzustellen, wer denn nun das Recht hat, stellvertretend für viele andere Zeitzeugen über eine Lokalität und ein damit in Relation stehendes Ereignis zu berichten. Ich konnte mich also nur in einem stark begrenzten Rahmen bewegen. Dabei muss wohl immer ein Kompromiss zwischen Zeitzeugenberichten und der Eigeninterpretation eines historischen Geschehnisses gefunden werden.
Letztendlich würde ich mich freuen, wenn Sie mir das eine oder andere Buch (evtl. auch Faksimiles von Originalquellen) aus der Bibliothek des DHI empfehlen könnten, da mein Thema ja keine genaue Einschränkung hat. Bin über jeden Ratschlag dankbar!

Donnerstag, 1. Mai 2008

Versuch der Zerlegung einer historischen Örtlichkeit in Zeitschichten anhand der Place de la Concorde – Prozess und Gefahr des Filterns und der Grenzziehung

Je länger ich mich mit Paris beschäftige, desto unendlicher aber zugleich auch entdeckungswürdiger empfinde ich diesen städtischen Organismus kosmischen Ausmaßes. Ich bemerke mit zunehmendem Bilder- und Textkonsum immer mehr, wie mich die Aussicht auf Erkenntnis lockt. Zudem erscheint es mir – auch im Zuge der Auseinandersetzung mit dem ehemaligen Quartier du Carrousel im Rahmen der Exkursion – klarer, als jemals zuvor im Verlauf meines Studiums, wie wichtig und unerlässlich es ist, einen womöglich bereits transformierten oder schon nicht mehr existierenden Raum in seine kleinsten Teile zu zerlegen, um überhaupt die Basis für das Verstehen der Menschen vergangener Epochen, sowie ihrer Gedanken, Gefühle oder beispielsweise Handlungen, zu legen.
Dabei erkennt man die essentielle Bedeutung alter Stiche, Bilder oder eben Fotos, die zur Anregung der Fantasie beziehungsweise des Vorstellungsvermögens äußerst dienlich sind. Nehmen wir zum Beispiel Sennetts These des leeren Volumens. Er präsentiert dieses Prinzip des toten Raumes anhand der Hinrichtung Louis Capets auf der Place de la Révolution. Nun, wenn man sich die Place de la Concorde heute ansieht, so fällt es zunächst schwer, die der Aufklärung entstammende Idee der freien Entfaltung des Individuums innerhalb der Vernunft, die durch jene Place architektonisch zur Expression gebracht werden sollte, nachzuempfinden. Geht man davon aus, dass Sennett Recht hat und das Gedankengut Boullées tatsächlich in den höchsten Kreisen der Revolutionäre Fuß fasste, so offerieren sich dem heutigen Betrachter zwei grundlegende Wege, um diese Vorstellung des 18.Jahrhunderts nachempfinden zu können: Entweder hatte der Platz schon damals ähnliche Eigenschaften wie sein moderner Nachkomme – was notgedrungener Maßen bedeuten würde, dass die Menschen der Revolution tatsächlich eine vollständig andere Gesinnung hatten; oder die Place de la Révolution hatte wirklich ein gänzlich anderes Gesicht.
Vermutlich muss man hier dem juste milieu folgen und eben beide Möglichkeiten in Betracht ziehen. Jedoch prägt nicht nur der Mensch den Raum, sondern der Raum inspiriert auch den Menschen. Insofern ist der Wissbegierige der heutigen Zeit, also in diesem Falle ich, darauf angewiesen, das „Volumen“ ebenso wie seine lebendigen Bewohner zu verstehen. Gerade hier gelangt man zu dem Punkt, an dem das Bildmaterial unerlässlich wird, da die heutige Concorde meiner Meinung nach tatsächlich wenig mit jener der Revolutionsjahre zu tun hat. Wie nützlich erscheint da die Option, alte Stiche bewundern zu können! Der heutige Platz übt auf den Besucher einen gestressten und nahezu abweisenden Eindruck aus. Es ist ein Ort, der trotz seiner immensen Größe eher beengend wirkt. Er mag zwar zunächst eine gewisse Offenheit verkörpern und das Gefühl von Freiheit simulieren, doch erscheint er bei näherem Hinsehen nahezu unwirklich und gekünstelt. Wie kommt diese Empfindung aber zustande und warum weckte die Place de Révolution derart andere Gefühle? Dies hängt einerseits damit zusammen das, so banal dies auch klingen mag, heute Autos um das Zentrum kurven, die neben dem Fakt, dass sie der Lokalität eine ungeheure Unruhe aufzwingen auch noch ein anderes Merkmal mit sich bringen: Sie vernichten die vorgetäuschte Wirkung der Unendlichkeit. Aufgrund der um Etliches höheren Geschwindigkeiten geht jener Effekt verloren, der dem einfachen Fußgänger die scheinbare Unerreichbarkeit eines weit entfernten Ortes vor Augen führt. Gleiches gilt für die Champs Elysées: Diese Achse der schieren Endlosigkeit schrumpft – wenn auch nicht in der Realität, so doch in der Welt der Imagination – durch jene Automobile, die den Weg in Richtung Arc de Triomphe, relativ zum marschierenden Körper gesehen, in Windeseile zurücklegen. Auch der napoleonische Triumphbogen an sich, der den Chaillot- Hügel geradezu überakzentuiert, setzt der Ende des 18.Jahrhunderts beabsichtigten Simulation der Grenzenlosigkeit eine klar definierte Grenze entgegen.
Dieser Place de la Concorde steht die Place Louis XV. von 1789 oder eben die spätere Place de la Révolution gegenüber: Freier Blick entlang der Gefilde der Seeligen bis hin zum Rond Point von Le Nôtres Anlage, ein offener Zugang in Richtung des grünen Jardin des Tuileries, der nicht von einem gänzlich unpassenden Riesenrad verstellt wird (zumindest stand ein solches noch im September des vorigen Jahres wie ein Wächter vor dem Eingang zur Parkanlage und vermittelte den Eindruck, dass man dahinter eher auf einen Freizeitpark, als auf eine historische Stätte treffen würde) und schließlich die Pont de la Concorde, die ab 1790 die natürliche Südwestgrenze – ergo die Seine - sprengte. Die einzigen Begrenzungen, die der Platz nach der Niederreißung der Begrünung, die noch auf das Ancien Régime zurückging, hatte, waren die beiden um 1775 fertig gestellten repräsentativen Kolonnadenbauten (das heutige Hôtel Crillon sowie das Hôtel de la Marine) am Ausgang der Rue Royale.
Was für ein Gefühl muss es gewesen sein, über le Nôtres geschwungene Rampen am Ausgang der Tuilerien auf diesen toten und in fast alle Richtungen offenen Platz zu treten, der noch nicht von Automobilen übersäumt war. Dem Bürger von 1790 wurde zudem der vermutlich wichtigste Struktur gebende Anhaltspunkt genommen – der Obelisk. Durch das Manko eines derart klar definierten Mittelpunktes musste die Impression der Grenzenlosigkeit noch verstärkt werden.
Der Mensch der die Jahre der Revolution miterlebte, hatte es also tatsächlich mit einer völlig anderen Örtlichkeit zu tun. Mit einem Platz, der kraft der Überbetonung seiner unlimitierten Größe durchaus ein immenses Gefühl der Verlorenheit hervorrufen hätte können; oder eben jenes der grenzenlosen Freiheit. Eigenschaften, die er, wenn überhaupt noch, dann nur mehr in stark beschränkter Weise besitzt.

Ich habe hier, angeregt durch Sennetts Kapitel „Der freigesetzte Körper“ in seinem Werk „Fleisch und Stein“, versucht, eine heute existierende Örtlichkeit der französischen Hauptstadt entlang einer Zeitschicht ganz gezielt zu zerschneiden, um diese anschließend in Relation zur Gegenwart zu analysieren. Gänzlich habe ich dabei auf die Kontextualisierung des „Steines“ mit dem „Fleisch“ verzichtet. Sie würde vermutlich den Rahmen dieses Eintrages sprengen, da bereits die Zerlegung des Platzes nur einen ersten und peinlich unvollständigen Versuch darstellt. Aber Paris scheint nun mal die Fähigkeit zu besitzen, dem Wissbegierigen ein ebenso verblüffendes wie unendliches Universum zu öffnen.
Das gleiche Procedere könnte man auf jeden anderen beliebigen Ort der Stadt anwenden. Schließlich hatte ich zuerst auch das Quartier du Carrousel (das mir im Übrigen bei zunehmender Beschäftigung mit der Materie im Rahmen der Exkursion immer sympathischer erscheint) ins Auge gefasst. Jedoch wäre hierbei ein noch höheres Maß an Fantasie gefragt, da dieses de facto nicht mehr existiert. Daraus resultiert die Erkenntnis, dass jeder komplexe Ort seine Eigenheit besitzt, die ihn maßgebend mitbestimmt und von anderen abgrenzt.
Folglich müsste man bei einer Betrachtung der Stadt Paris als einem gesamtsemiotischen Konstruktes sehr klare Grenzen ziehen. Eine schwere, aber machbare Aufgabe. Ich denke, dass sich auch hier die Arbeit mit Zeitschichten als möglich herausstellen würde, jedoch müsste man die Schnitte anders anlegen und ganz genaue Grenzen ziehen. Dabei erscheint eine Frage als vordergründig: Ist es dienlicher einen urbanen Kosmos diesen Ausmaßes als eine Einheit zu begreifen, oder muss man Trennungen des Gesamtbildes vollziehen? Wie müssten diese Grenzen aussehen?
Wenn man Benevolos und Albrechts Perspektive übernimmt und den dominanten Einfluss der Grenzen auf die menschlichen Verhaltensweisen im Laufe der Geschichte näher observiert, so ist es unumgänglich die Grenzen so zu ziehen, wie sie auch in der einen oder anderen Epoche von den Zeitgenossen verstanden und wahrgenommen wurden, da man sonst Gefahr läuft, den zu untersuchenden Gegenstand, oder eben das semiotische Gebilde, in zu hohem Maße mit dem Filter der Gegenwart zu betrachten, was wiederum die Resultate verfälschen würde.

Wie zu erahnen, habe ich mich also noch nicht eindeutig für ein Thema entscheiden können, wobei mir die historische Entwicklung und Bedeutung, sowie die zeitgenössische Auffassung der Königsachse immer vertrauter und sympathischer wird.
Dem entgegen steht vor allem die Observation von Paris unter dem Verständnis eines gesamtsemiotischen Konstruktes. Leider ist der „Mythos von Paris“ von K.Stierle aber bisher unauffindbar gewesen. Die UB meint, er wäre an seiner Regalposition nicht auffindbar und hat meine Vorbestellung bereits dreimal gelöscht.
In diesem Zusammenhang wäre es vielleicht auch interessant, Paris, oder einzelne Quartiers aus der Sicht diverser Personen aus verschiedenen Epochen näher unter die Lupe zu nehmen: Ob dies nun, naheliegend, Hazan ist, oder ob es sich dabei etwa um den Guide Joanne von 1870 (gibt es davon ein Faksimile oder sonstige nützliche Literatur?) handelt, um die Werke großer französischer Literaten oder beispielsweise um die Fotografien Henri Cartier- Bressons (ad infinitum). Bestimmt könnte man auch weiter in die Vergangenheit zurückgehen. Klingt auf jeden Fall alles sehr spannend!

Freitag, 4. April 2008

Hazan und die Problematik der Deutung von Zeichen – Paris als semiotischer Komplex

Wenn man Eric Hazan in einen Erzähltypus einordnen müsste, so würde dieser weder dem Reiseleiter, noch dem Wissenschaftler entsprechen. Hazan nimmt in seinem Buch L’invention de Paris ganz und gar die Gestalt eines Erzählers an – insofern muss ich auch meine Meinung aus der Exkursionssitzung revidieren: Es gibt eine, wenn auch stark kaschierte und nur schwer auszumachende Differenz zwischen der Vortragsweise eines Reiseleiters und jener eines Erzählers: Ersterer erzählt die Geschichte eines zeitlichen oder räumlichen Objektes oder eben eines menschlichen Subjektes, während der Zweite Geschichten wiedergibt, die die Vergangenheit wiederbeleben, sie spürbar werden lassen. Insofern besitzt der Erzähler die Macht, die im Grunde nur schwer zu überbrückende Distanz eines gegenwärtigen Zuhörers und des vergangenen und auf den ersten Blick nahezu unzugänglichen Erzählinhaltes zu minimieren oder gar aufzuheben.
Ich bin erst kürzlich während eines nachmittäglichen Stadtspaziergangs durch Wien auf ein sehr nettes Zitat aufmerksam geworden, welches am Schaufenster einer Bücherei in der Lerchenfelderstraße angebracht war: „Der Autor schreibt nur das halbe Buch, die andere Hälfte fügt der Leser hinzu.“ Genau dies ist, so denke ich, die Anleitung, welcher Hazan folgt. Indem er nach wie vor lebendige komplexe Orte bis in ihre kleinsten Zeichen zerlegt (nahezu kennzeichnend machte der Franzose ja als Chirurg Karriere), offenbart er dem Leser die geheime Semiotik jener chiffrierten Komplexe. Schließlich nimmt er den Konsumenten der Lektüre gerade durch diese Vorgangsweise mit auf eine Reise durch verschiedene Zeitschichten eines Zeichenkomplexes, auf der man zusätzlich großen Persönlichkeiten der französischen Geschichte begegnen darf, die eben jene Örtlichkeiten mit gestalteten.
So gelingt es ihm beispielsweise tatsächlich, eine Renaissance du Carrousel herbeizuführen, die die Impression hinterlässt, als wäre die Ieoh Ming Pei- Pyramide nur ein Traum, eine moderne Illusion. Es ist gerade dies die hohe Kunst, ein gegenwärtiges Zeichengebäude im doppelten Sinne zu überschauen. Dies bedeutet einerseits, es in seiner Gesamtheit zu erfassen und somit seinen Charakter, seine ihm spezifische Eigenschaft so weit wie möglich offen zu legen und andererseits, selbige Konstruktion von Zeichen im wahrsten Sinne des Wortes zu über-schauen. Für einen kurzen Moment vergessen, was man hier und heute sieht und mit welchem individuellen Filter man ein Objekt betrachtet. Dies inkludiert selbstverständlich die Reise in die Vergangenheit; im Falle des Carrousel die Wiedererrichtung dreier Querstraßen über das heutige Gelände der Pyramide, die geistig- wissenschaftliche Wiederbelegung jener Rues mit Menschen und deren Lebensformen, sowie beispielsweise die Notwendigkeit einer völlig anderen, zeitgenössischen Deutungsweise des Arc de Triomphe du Carrousel (!), der heute tatsächlich eher orientierungslos in der Übergangszone zwischen dem Museum und den Tuileries herumsteht.
Insofern sind im Laufe des chirurgischen Eingriffes in die Zeitschichten drei große Schnitte von Nöten, die wiederum leicht teilbare Einzelstücke ergeben: Erkenntnis des gegenwärtigen Semiotikkomplexes, Erkenntnis des Kontextes zwischen semiotischer Gegenwart, sowie der Vergangenheit und letztendlich die Erkenntnis scheinbar verloren gegangener Zeichen (die sich dem Auge oft erst bei genauester Observation offenbaren). Man könnte diesen Prozess auch als Zusammenspiel chronologisch definierter Zeichen deuten.
In dieses Konzept der Analyse fließen nun jedoch zwei Problemfelder ein, die die Suche nach semiotischer Entschlüsselung aber umso spannender werden lassen: Die Subjektivität des Betrachters, die die Kommunikation zwischen dem die Signale überliefernden Objekt und dem Betrachter wie ein dunkler Schatten überzieht und – ein fast noch kritischerer Aspekt – die Unendlichkeit der Deutungsweisen an sich.
So setzt auch Hazan einen offensichtlichen Schwerpunkt auf die von Menschen geprägte Komponente seiner Präsentationsobjekte, woraus sich eben seine spezifische Art und Weise der Deutung der komplexen Orte ergibt, die jedoch nur eine unter vielen Optionen darstellt. Unter diesem Blickwinkel kann auch Ihr eigener Europaparcours durch Wien betrachtet werden. Bei der Schaffung der einzelnen Europaattribute, Allegorien und Erinnerungsstätten im Laufe der Zeit, hatte vermutlich keiner der Verantwortlichen je daran gedacht, eine mit dem Thema Europa gekennzeichnete Schneise quer durch Wien zu legen. Dennoch entdeckt ein Geschichtsprofessor des 21.Jahrhunderts diesen unbeabsichtigt zusammenhängenden Weg, der nahezu danach schrie, bemerkt zu werden. Doch gerade diese Ihre Vorgangsweise gab mir neues Material zum Grübeln, da mir klar wurde, dass gerade die Ergründung eben jenes Parcours bereits einen gewissen Filter, nämlich Ihren individuellen, voraussetzte. Wäre man anders an die Thematik herangetreten, so wäre die semiotische Verständigung zwischen dem komplexen Ort und dem Betrachter mit Sicherheit völlig anders verlaufen und hätte folglich zu gänzlich anderen Ergebnissen geführt.
Demzufolge muss auch die Semiotik der Stadt Paris in ihrer Gesamtheit verstanden werden. Paris an sich ist bereits ein Zeichen. Es erscheint mir passend, hier ein Gleichnis auf der Basis eines Moleküls anzuführen. Paris ist eben ein solches Molekül, das wiederum in einzelne Atome – oder, wie Paris, in Quartiers - gegliedert werden kann. Diese Quartiers bestehen, genau wie die Atome aus Elektronen, Protonen und Neutronen, aus einzelnen (komplexen) Orten kleinerer Einheit, die in Quantität und Qualität variabel sind. Allerdings wäre ein Atom völlig leblos, gäbe es nicht Kräfte, die es zwingen, sich zu transformieren. Ebenso benötigt Paris die Menschen, oder eben die Natur im engeren Sinne, die es bis in die Gegenwart formen, es gestalten und letztendlich bestimmen.
Ebenso gut könnte man Paris in andere und an Semiotik ebenso reiche Parzellen segmentieren. Hazan erwähnt – wenngleich er sich im Folgenden doch lieber der Gliederung in Quartiers hingibt – die Günstigkeit einer Geschichtsschreibung jener Stadt, die sich an der Errichtung und Niederreißung der Stadtmauern orientiert. So prägen die Zeichen der ehemaligen Wehranlagen von 1190 bis 1845 noch heute die städtische Struktur und waren mitbestimmend für die Entwicklung und das Wachstum von Paris. Moderne Stadtpläne lassen erkennen, dass Paris, wie die Wellen eines ins Wasser geworfenen Steines, in konzentrischen Kreisen wuchs – wenngleich das Rive gauche seinem rechten Nachbarn immer etwas hinterherhinkte. Genauso könnte man die Grande Ville entlang ihrer nahezu monströsen Achsen – allen voran jene, die sich vom Louvre hin zur heutigen Défense erstreckt - unterteilen. Wie auch immer man Paris nun gliedern mag, um es detaillierter analysieren zu können, so wird voraussichtlich kein Weg der vollkommene sein.

Im Folgenden möchte ich noch mögliche Themenkreise, die mich im Rahmen dieses Forschungsseminars interessieren würden, auflisten:
• Das Marais, die Île de la Cité oder Montmartre unter dem Gesichtspunkt des Quartiers als einem komplexen Ort.
• Die großen Kaufhäuser und die beginnende Geschäftskultur der Boulevards als Zeichen einer Transformation der Grenzen von Luxus in der Gesellschaft.
• Die Gotik in Paris als neue semiotische Sprache der französischen Könige (St.Denis, Sainte Chapelle etc.)
• Der Louvre und seine Umgebung als Produkt verschiedener Zeitschichten.
• Die Werdung der Stadt Paris unter dem Blickwinkel eines gesamtsemiotischen Konstruktes – Strukturen und Zeichen einer Weltstadt.

Montag, 10. März 2008

Einleitende Gedanken

Vorweg muss ich gestehen, dass ich im Laufe meines Studiums bisher noch nie einen Webblog erstellt habe, schon gar keinen wissenschaftlichen. Insofern stellt dieses Projekt, oder eben dieser Kommunikationstypus, für mich eine gänzliche Novität dar.
Der Titel der Vorlesung hat mich, wie schon erwähnt, trotz des Aufscheinens des Terminus "Semiotik" nicht abgeschreckt. Semiotik wird sehr rasch als Lehre von den Zeichen verstanden, was prinzipiell eine kommunikative Beziehung zwischen einem oder mehreren Objekten und einem oder mehreren Subjekten, beziehungsweise ausschließlich zwischen menschlichen Individuen zur Folge haben muss. Denn ein Zeichen beinhaltet stets eine spezifische Form der Information und benötigt daher ein Empfängermedium. Dabei erscheint es aber nicht nur als überaus wichtig, Sender und Empfänger jener Zeichen ausfindig zu machen, sondern viel eher zu analysieren, wie dieser Austausch stattfindet, beziehungsweise wie der gesendete Inhalt durch die Überlieferung – einschließlich der Aufnahme der Daten oder eben Zeichen – variiert.
Insofern muss, so glaube ich, zwischen der objektiven Grundinformation und jener Botschaft differenziert werden, die zum empfangenden Individuum gelangt. Die unangetasteten Zeichen, die ein Objekt beinhaltet, können folglich – und hier liegt der entscheidende Punkt – niemals vom Beobachter entdeckt werden, da allein durch die sinnliche Wahrnehmung jener Zeichen eine nicht mehr rückgängige Subjektivität die Primärinformationen auf quantenphysikalische Art und Weise prägt und verfälscht.
Der Wissenschaftler wird folglich mit der Problematik konfrontiert, das Potential der eigenen Sinneswahrnehmung zu erforschen und zu definieren, um so nahe wie möglichst an den puren Inhalt eines Objektes zu gelangen und den Grund der Sache zu erkennen, oder aber um die Intention des Créateur des zu analysierenden Objektes besser verstehen zu können. Die Suche sollte sich dabei nach folgender Frage orientieren: Wo sind die Zeichen innerhalb dieses komplexen Systems, mit dem man sich auseinandersetzt, die man nicht auf den ersten Blick sieht? Und demnach: Warum sind sie nicht offenbar?
Der Historiker muss hier auf zwei Ebenen voranschreiten und gerade diese Eigenschaft unterscheidet die Geschichtswissenschaft von anderen Fachgebieten. Er hat als Beobachter nicht nur die Zeichen eines Objektes zu zerlegen, sondern muss zusätzlich darüber reflektieren, wie diese Objekte samt ihrer Informationen, die sie pausenlos ausstrahlen, in der Vergangenheit gedeutet oder interpretiert wurden. Dabei müssen natürlich zeitgenössische Gesinnungen, Glaubensvorstellungen, Denkweisen und unendlich viele andere Dinge in Betracht gezogen werden.

Saussure, der die Sprache als eine komplexe Summe von Zeichen versteht, ist der Auffassung, dass nur Menschen an semiologischen Vorgängen beteiligt sein können. Auch wenn diese Idee womöglich eher für die Sprache als für andere menschliche Kommunikationsmittel zutrifft, so sollte die Fähigkeit der Eigenkommunikation eines Objekts nicht unterschätzt werden. Denn natürlich muss es einen Erschaffer der Information geben, aber schon dieser muss nicht menschlicher Natur sein. Und selbst wenn er es ist, so überdauert doch das Objekt oder die Information, sowie seine Zeichen, nicht selten seinen bewussten oder unbewussten Schöpfer. Genau hier beginnen die Zeichen unabhängig zu werden, können je nach Empfänger und dessen neuer Interpretation abermals codiert werden. Das Objekt kommuniziert also für sich selbst und ist nicht länger auf einen menschlichen Sender angewiesen, wobei die objektive Basisinformation durch die Wahrnehmung verschiedener Menschen verschiedener Zeiten höchst variabel ist.
Meiner Auffassung nach sollte auch das Element der Entschlüsselungsnotwendigkeit eines Codes nicht überbewertet werden, wie dies in den Sprachwissenschaften öfters der Fall ist. Denn sogar ein Code, der vom Empfänger nicht verstanden wird übermittelt jene Information, dass er eben nicht verstanden werden kann. Dadurch ergibt sich ein ungeheuer spannender Tatbestand, denn es gilt zu klären, warum die Informationsübermittlung nicht funktioniert hat und ob hinter dieser Blockade eine Intention oder ganz einfach ein unbewusster Fehler liegt.

Im Falle von Paris bedeuten die oben beschriebenen Gedanken zunächst einmal einen Sturz ins Chaos. Wahrscheinlich könnten nicht einmal alle Computer der Welt jene Zeichen erschließen, die diese Stadt seit Jahrhunderten jede Sekunde überliefert. Bereits Paris als Gesamtkomplex kann als ein Zeichen verstanden werden, welches wiederum bis in seine kleinsten Einzelteile zerlegt werden kann. Seien es öffentliche Gebäude, Straßen, Trottoirs, Bäume und Parks, Statuen, Cafés, Bistros, kleine Geschäfte, Kirchen, Brücken, Menschen, Metrostationen – oder deren Jugendstilschilder, Mistkübel, Fenster, Türen, Kleidung oder noch viel, viel kleinere und kaum sichtbare Dinge. Dabei sollte hinterfragt werden ob das zu untersuchende Objekt schon immer so wie heute existierte, oder ob es Transformationen durchlebte - und wenn ja wann und welche? Welche Funktionen es hatte, wie die Kommunikation zwischen Sender und Empfänger in der Vergangenheit aussah und funktionierte und warum! Etliche andere Fragen würden sich hier auftun.
Um diesen Ansätzen nachzugehen, muss man das semiotische Molekül in seine Elementarteilchen zerlegen, damit man es nachher in seiner Gesamtheit besser verstehen kann.

Ich möchte zuletzt noch erwähnen, dass diese einführenden Überlegungen lediglich persönliche Gedanken wiedergeben, sich demnach also keineswegs auf wissenschaftliche Literatur beziehen.
Auch bin ich mir nicht sicher, ob man einen Blog auf diese Weise beginnt, da die Lieferung bestellter Bücher, die mich bei der Strukturierung unterstützen sollten, doch mehr Zeit in Anspruch nimmt, als ich dachte.
Letztendlich möchte ich Ihnen noch mitteilen, dass ich vom 15. bis zum 25.März beruflich in Ägypten bin, weshalb ich Ihnen in diesem Zeitraum leider keine neuen Einträge zukommen lassen kann. Ich bitte um Verständnis und werde mich nach Ostern umso intensiver meiner Arbeit für dieses FS zuwenden.

Mit besten Grüßen
Rafael Prehsler

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